Die Kirche muss allen Menschen offen stehen

Maria Mesrian

Frau Maria Mesrian ist katholische Theologin und Aktivistin der Frauen-Initiative Maria 2.0, einer von Frauen in der katholischen Kirche gegründeten Initiative. Sie ist verheiratet und wohnt mit ihren fünf Kindern in Köln. Ich freue mich, dass sie sich für die Beantwortung der folgenden Fragen bereit gefunden hat.

Frau Mesrian, ich habe Sie als Aktivistin der Frauen-Initiative Maria 2.0 vorgestellt. Maria 2.0 ist zwar mittlerweile einem recht großen Kreis bekannt. Trotzdem möchte ich Sie bitten, den Leserinnen und Lesern, denen die Initiative noch nichts sagt, diese in ein paar Sätzen zu erläutern.

Frau Maria Mesrian: Maria 2.0 ist eine katholische Reforminitiative, die entstanden ist, weil fünf Frauen in Münster über das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs der katholischen Kirche so entsetzt waren, dass sie die Bewegung gründeten. Sie wollten gegen die Ursachen der sexualisierten Gewalt vorgehen. Daraus sind die Forderungen entstanden, für die Maria 2.0 steht: Machtkontrolle durch Demokratisierung der Strukturen, ein Ende der Diskriminierung von Frauen, Abschaffung des Pflichtzölibats und eine neue Sexualmoral.

Hoffnung

Hoffnung

In unserer Kirche, im Morgen,
wird das Wort Jesu nicht nur verkündet, sondern auch gelebt.

Wird der Mensch, jeder so, wie er ist, geliebt.

Wird getanzt und gelacht und gefeiert.
Wird das Brot geteilt und das Leid.
Wird der Wein geteilt und die Freude.

In dieser Kirche, im Morgen,
siegen Mut und Liebe, Barmherzigkeit und Mitgefühl
über Angst und Machtgier, Ausgrenzung und Selbstmitleid.

In dieser Kirche, im Morgen,
sind
Frau und Mann,
Kind und Greis,
Homo und Hetero,
arm und reich,
gebunden und ungebunden,
zusammen und allein.

Willkommen an jedem Ort und willkommen in jeder Berufung.
Willkommen als lebendiger Widerschein von Gottes liebendem Blick.

Andrea Voss-Frick / Maria 2.0
Foto: Achim Beiermann

Allein in unserer katholischen Pfarrgemeinde im Düsseldorfer Osten hat es in den vergangenen Jahren drei schreckliche Missbrauchsfälle gegeben, in die verschiedene Seelsorger involviert waren. Was meinen Sie: Wie können wir als Pfarrgemeinde damit umgehen?

Frau Maria Mesrian: Jetzt ist jede einzelne Christin und jeder einzelne Christ gefragt. In dem Moment, in dem wir das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs begreifen, müssen wir handeln. Wir müssen Verantwortung übernehmen und alles dafür tun, dass Gerechtigkeit für die Betroffenen hergestellt wird.

Die Institution Kirche hat versagt. Das hat Köln in aller Deutlichkeit gezeigt.

Das kann in meinen Augen nur geschehen, wenn die Institution Kirche die Aufklärung der Taten und der Vertuschung aus den Händen gibt. Es müssen unabhängige Wahrheitskommissionen und Treuhandfonds gebildet werden. Die Institution kann die Verbrechen in ihren eigenen Reihen nicht aufklären, geschweige denn für Gerechtigkeit sorgen. Sie hat versagt. Das hat Köln in aller Deutlichkeit gezeigt.

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Maria 2.0 setzt unter anderem darauf, dass Frauen zu Weiheämtern zugelassen werden und damit zum Priesteramt. Kritisch gefragt: Ändert es denn eigentlich etwas an den hierarchischen Strukturen in der Katholischen Kirche, wenn Frauen Gemeinden leiten? Müsste sich nicht die gesamte Gemeindestruktur hin zu einer geschwisterlichen, demokratischen Kirche wandeln?

Frau Maria Mesrian: Auf jeden Fall. Wir fordern eine Ende der Diskriminierung – nicht nur von Frauen. Kirche muss offen sein für alle Menschen unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung und Lebensführung. Wenn Frauen ihrer Berufung als Seelsorgerin folgen möchten, muss das möglich sein. Aber immer gleichzeitig gedacht mit einer grundlegenden Reform des Amtsverständnisses. Die Überhöhung des Priesters muss ein Ende haben. Sie ist Teil des Problems und kann daher für Frauen auch keine Lösung sein.

Aufgehende Mohnblüte
Sich öffnende Mohnblüte
Foto: Achim Beiermann

Welche besondere Perspektive haben Frauen Ihrer Ansicht nach auf das Gebet?

Frau Maria Mesrian: Ich glaube, jeder Mensch hat eine besondere, individuelle Perspektive auf das Gebet. Vielleicht ist es gar keine Perspektive, weil es ja aus unserem Inneren kommt. Als Stoßgebet, als Verweilen in der Gegenwart des Geheimnisses, das wir Gott nennen, im Zuspruch eines Segens. Gebet hat so viele Facetten. Es passt sich wie ein sanfter Wind, der uns umgibt, unserm Leben in den Sorgen und in den Freuden an.

Wie würden Sie den folgenden Satz fortsetzen? “Gebet ist für mich…”

Frau Maria Mesrian: Gebet ist für mich wie ein stilles Abtauchen in die Gegenwart Gottes und ein Schutz, der mich und meine Lieben umgibt.

Ich danke für das Gespräch.

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