Mit Jugendlichen Beten lernen

Lenore Smidderk

Frau Lenore Smidderk ist als Schulpfarrerin an zwei Düsseldorfer Gymnasien tätig. Ich freue mich, dass sie sich die Zeit für die Beantwortung der folgenden Fragen genommen hat.

Frau Smidderk, warum und wie wurden Sie Schulpfarrerin? Kann jede Geistliche bzw. jeder Geistliche diesen sonderseelsorgerischen “Beruf” ergreifen oder braucht es dafür eine besondere Qualifikation, zum Beispiel im pädagogischen Bereich?

Frau Lenore Smidderk: Ich war nach meinem Studium der Evangelischen Theologie zunächst Gemeindepfarrerin mit ganzem Herzen und habe für den Wechsel ins Schulpfarramt zusätzliche Ausbildungen und Prüfungen absolviert. Die Anforderungen an einen Schulpfarrer/eine Schulpfarrerin unterscheiden sich schon erheblich von denen an eine/n Gemeindepfarrer*in. Man braucht viel Liebe zu Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, viel Geduld und auch den Wunsch, die gute Nachricht auf vielerlei Weise (unterschiedliche Methoden im Religionsunterricht, durch Schulgottesdienste, Seelsorge, Lerncoaching etc.) an die nächste Generation weiterzugeben.

Ich stelle es mir nicht einfach vor, im schulischen Bereich religiösen Geist und Besinnung erfahrbar werden zu lassen und den Schülerinnen und Schülern Lebens- und Glaubenshilfe anzubieten. Wie sieht das bei Ihnen in der Praxis aus?

Frau Lenore Smidderk: Die Schüler*innen erlebe ich den religiösen und spirituellen Themen gegenüber als sehr aufgeschlossen, wenn sie sich ernst genommen fühlen und mit aktuellen Fragen und Themenstellungen konfrontiert werden. Sehr wichtig ist, dass ich ihnen keinen „kalten Kaffee“ vorsetze, sondern ich ihnen als authentische Christin begegne, der sie das Bemühen abnehmen, dass man ihnen etwas vermitteln möchte, das einem selbst viel bedeutet.

Jugendliche
Jugendliche sind religiösen Themen gegenüber aufgeschlossen
Foto: Pixabay

Im Religionsunterricht werden Sie sicher auch das Thema “Beten” behandeln. Hat das Gebet für den “Durchschnitts”-Jugendlichen überhaupt noch eine Bedeutung? Wie sind da Ihre Erfahrungen?

Frau Lenore Smidderk: Ja, das Gebet ist ein „heikles“ Thema. Ich stelle zunehmend fest, dass das Gebet im Leben der Jugendlichen eigentlich nicht mehr vorkommt oder thematisiert wird. Es gibt natürlich Ausnahmen. Aber wenn man sich auch diesem Thema mit einer persönlichen „Leidenschaft“, also mit dem Wunsch nähert, es den Schüler*innen zu vermitteln, kann es bei vielen etwas bewirken und auch dazu anleiten, das Beten selbst ins Leben zu integrieren. Ich gebe es zum Beispiel als freiwillige „Hausaufgabe“ auf und spreche im Unterricht mit den Schüler*innen, die es ausprobiert haben, über ihre Erfahrung und wie es ihren Tag bzw. ihre Nacht verändert hat. Oder ich erarbeite mit ihnen ein persönliches Gebetsbuch, das aus selbst erstellten oder auch vorgegebenen Gebeten besteht.

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Welche Bedeutung hat das Beten für Sie persönlich? Bedienen Sie sich dabei gängiger Gebete wie zum Beispiel des Vaterunsers oder formulieren Sie Ihre Gebete frei?

Frau Lenore Smidderk: Für mich persönlich ist das Gebet von außerordentlicher Bedeutung. Ich habe ein Bild Jesu an meinem Bett und mein erster Gedanke am Morgen richtet sich an ihn, was sozusagen schon ein erstes Gebet ist. Das ist meistens ein Dank für die Ruhe in der Nacht und die Bitte um die Begleitung durch den Tag für mich, meine Familie, meine Schüler*innen und Kolleg*innen und alle Menschen.

Meditation
Den Tag mit einer Meditation beginnen
Foto: Pixabay

Seit vielen Jahren lese ich morgens einen kurzen Text zur Bibelstelle des Tages und setzte mich dann für etwa 30 Minuten auf ein Meditationskissen. Was dann passiert ist jeden Tag anders: Manchmal bewegt mich der Text, den ich gelesen habe oder es kommen mir Fragen in den Sinn, manchmal fühle ich mich einfach nur geborgen und von Gott geliebt und behütet. Diese Zeit verändert meinen Tag.

Wenn ich mal mehrere Tage nicht meditiere, spüre ich das und fange an, nur noch zu „funktionieren“. Das Gebet hält mich im „Raum Gottes“.

Wenn ich das mehrere Tage nicht mache, spüre ich das und fange an, nur noch zu „funktionieren“. Das Gebet hält mich im „Raum Gottes“. Aber dieses Gebet hilft vor allem dann, wenn man sich den ganzen Tag über in Gottes Nähe weiß und sich an Seine/Ihre Gegenwart und Leitung erinnert. Um sich daran zu erinnern, ist für mich auch das Herzensgebet sehr hilfreich. Es verbindet den Atem mit Worten wie beispielsweise beim Einatmen „Jesus“, beim Ausatmen „Christus“. Ich kann das Herzensgebet sehr empfehlen.

Wie würden Sie den folgenden Satz fortsetzen? “Gebet ist für mich…”

Frau Lenore Smidderk: Gebet ist für mich der Atem der Seele, die Verbindung zu Gott, eine lebenslange Übung.

Ich danke für das Gespräch.

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