Theo Schenkel aus dem baden-württembergischen Waldshut ist trans Mann und durfte zunächst lediglich mit einer Ausnahmeregelung katholische Religion unterrichten. Mittlerweile hat die Deutsche Bischofskonferenz sich dazu entschieden, sowohl das kirchliche Arbeitsrecht als auch die Missioordnung zu verändern. Dementsprechend erhielt auch Theo Schenkel vor kurzem seine Missio Canonica. Ich freue mich, dass Herr Schenkel sich die Zeit genommen hat, meine Fragen zu beantworten.
Herr Schenkel, können Sie uns mehr über Ihre persönliche Erfahrung erzählen, trans Mann und katholischer Religionslehrer zu sein? Wie problematisch war es beispielsweise für Sie nach außen, diese beiden Aspekte Ihrer Identität zu vereinen?
Theo Schenkel: Es ist zum Glück so, dass weder meine Bisexualität noch die Transgeschlechtlichkeit einen Konflikt für meinen persönlichen Glauben dargestellt haben. Auf institutioneller Ebene gibt es hier viel eher einen Konflikt. Meine Identität wird von der katholischen Lehrmeinung nicht gutgeheißen, viel eher sogar als Sünde deklariert. Ich würde nicht sagen, dass ich die negativen Aspekte meiner katholischen Realität wirklich vereinen kann.
Die Gewissensfrage, ob oder wie lange ich es für mich selbst rechtfertigen kann, in der katholischen Kirche tätig zu sein, bleibt weiterhin bestehen.
Wenn, dann würde ich sagen, dass beide Seiten nebeneinanderher existieren. Viele Teile verdränge ich in meinem Alltag auch viel eher. Ein Bestandteil des Konflikts wurde mittlerweile auch ein Stück weit aufgelöst, weil sich das kirchliche Arbeitsrecht und die Verordnung für die Lehrkräfte verändert haben, sodass ich nun zum einen eine bischöfliche Beauftragung erhielt, wie andere Lehrkräfte auch und meine Eheschließung keinen Kündigungsgrund mehr darstellt.
Dennoch haben sich die lehramtlichen Aussagen nicht verändert. Die Gewissensfrage, ob oder wie lange ich es für mich selbst rechtfertigen kann, in der katholischen Kirche tätig zu sein, bleibt weiterhin bestehen. Vor allem unterrichte ich Religion wirklich gern und daher ist es mir zumindest bisher noch Wert, die Nachteile in Kauf zu nehmen.
Sie sind einer der Unterzeichner von #OutInChurch, einer Aktion, in der sich viele Mitarbeitende der Katholischen Kirche in Deutschland als queer geoutet haben. Was hat Sie dazu motiviert, #OutInChurch zu unterzeichnen?
Theo Schenkel: Bei #OutInChurch habe ich vor allem mitgemacht, um anderen queeren Menschen in der katholischen Kirche zu zeigen, dass sie nicht allein sind. Ich möchte meine Geschichte erzählen, um anderen hoffentlich Sichtbarkeit zu ermöglichen und schlicht die Missstände der katholischen Kirchen anzuprangern, um sie nach Möglichkeit zu verändern. Letztendlich hat #OutInChurch auch mir ermöglicht, mich mit anderen Menschen zu vernetzen, die eine ähnliche Erfahrung haben wie ich.
Auch wenn die Amtskirche sich nicht bewegt: Wie erfahren Sie sich denn als trans Mann, zum Beispiel in Ihrer Pfarrgemeinde?
Theo Schenkel: Momentan bin ich sehr wenig in einer Pfarrgemeinde vor Ort beheimatet. Meine Gemeinde liegt aktuell eher in der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG). Dort habe ich glücklicherweise keinerlei Schwierigkeiten in Bezug auf meine Identität. Mein Outing wurde dort von allen positiv aufgefasst und alle haben sich beispielsweise zügig bemüht, meinen neuen Namen zu verwenden.
LGBT+ ist die Abkürzung für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender sowie für Menschen mit sexuellen Orientierungen oder geschlechtlichen Identitäten, die sich mit diesen Bezeichnungen nur unzureichend identifizieren können. Welchen Rat würden Sie diesen Menschen geben, die sich in ihrem religiösen Umfeld nicht akzeptiert fühlen?
Theo Schenkel: Ich würde diesen Menschen empfehlen, sich mit anderen Menschen zu vernetzen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Glücklicherweise gibt es mittlerweile auch einige katholische Gemeinden oder Gruppen, die Veranstaltungen für queere Menschen anbieten. Dies kann ebenfalls eine Option für Menschen sein, die sich in ihrer Heimatgemeinde nicht wohlfühlen. Auch im wissenschaftstheologischen Diskurs gibt es seit längeren viele Stimmen, die sich für queere Menschen aussprechen. Manchen Menschen kann es auch helfen, sich beispielsweise mit queerer Bibelauslegung auseinanderzusetzen.
Wie würden Sie den folgenden Satz fortsetzen? “Gebet ist für mich…”
Theo Schenkel: Gebet ist für mich eine Art Pause. Es ist ein Innehalten, das mich den Alltag aus einer anderen Perspektive betrachten lässt. Teilweise ist es auch ein Abgeben von Verantwortung, weil eine bestimmte Frage oder ein Thema nicht mehr nur auf meinen Schultern liegt.
Ich danke für das Gespräch.
Weitere Informationen finden Sie unter anderem hier:
Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie