Herr Martin Rose ist Vorsitzender des Kolpingwerkes im Diözesanverband Köln. Dem deutschen Kolpingwerk gehören mehr als 215.000 Mitglieder in 2.286 so genannten Kolpingsfamilien an, davon etwa 37.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene im Bereich der Kolpingjugend. Das deutsche Kolpingwerk ist Teil des Internationalen Kolpingwerkes und des Kolpingwerks Europa. Ich freue mich, dass Herr Rose sich die Zeit für dieses Interview genommen hat.
Herr Rose, der Name Adolph Kolping ist mir seit früher Kindheit vertraut, da unsere Messdiener-Gruppenstunden in den Räumen eines als “Kolpingheim” bezeichneten Gebäudes stattfanden. Doch vermutlich wissen manche Leserinnen und Leser nicht, wer und was sich hinter dem Namen verbirgt. Deshalb nutze ich die Gelegenheit und frage den Vorsitzenden: Wer war Adolph Kolping, welche Ziele verfolgt das Kolpingwerk in der heutigen Zeit und welche Aufgaben nimmt es dabei wahr?
Martin Rose: Adolph Kolping ist eine der herausragenden Persönlichkeiten der katholischen Kirche im 19. Jahrhundert. Er war Schuhmachergeselle, Priester und Sozialreformer. Er war in außergewöhnlicher Weise den Menschen zugewandt, nahm ihre Lebenswirklichkeit war und half dort, wo die Not am größten war. Im 19. Jahrhundert waren dies besonders die jungen Handwerksgesellen, um die er sich besonders kümmerte.
Das Vorgehen Adolph Kolpings prägt bis heute unseren Verband. Auf Basis des Glaubens an Jesus Christus und seiner frohen Botschaft wenden auch wir uns den Menschen zu. Unser Engagement in Kirche, Politik und Gesellschaft soll die Teilhabe am gesellschaftlichen und kirchlichen Leben ermöglichen und befördern. Dabei liegen uns die jungen Menschen und Familien besonders am Herzen.
Zum Leitbild des Kolpingwerks zählt das Thema Bildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Konkret heißt es dazu auf der Website des Bildungswerks Köln, dass alle Menschen eine gleichberechtigte Chance auf Bildung erhalten sollen. Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen?
Martin Rose: Hier ist zuallererst die Arbeit unserer Bildungseinrichtungen zu nennen. Es ist die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in den Angeboten des „Offenen Ganztags„. Es ist die Begleitung von Jugendlichen, die an unserem Bildungssystem gescheitert sind. Sie erhalten die notwendige Unterstützung, um ein selbstbestimmtes Erwerbsleben und somit ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. Es ist aber auch die Bildungsarbeit in unseren Kolpingsfamilien. Hier wird vor Ort durch unterschiedliche Bildungsformate die Teilhabe befördert. Ergänzt und flankiert werden diese ganz konkreten Angebote durch unser Engagement gegenüber der Politik.
Was mich bei den eingangs erwähnten Zahlen überrascht hat, ist der aus meiner Sicht relativ hohe Anteil junger Menschen, die Mitglieder Ihres deutschlandweiten Verbands sind. Wie schaffen Sie es, diese Menschen zu erreichen und für eine Mitarbeit zu gewinnen?
Martin Rose: Der Schlüssel ist die generationsübergreifende, familienhafte Arbeit und Struktur unseres Verbandes. Besonders über die Angebote für Familien haben Kinder und Jugendliche einen ersten Kontakt zum Kolpingwerk. An dieser Stelle wird sie von der Kolpingjugend mit spezifischen Angeboten abgeholt. Dabei ist die Kolpingjugend innerverbandlich mit einer großen Selbstständigkeit ausgestattet. Hier lernen Jugendliche sich zu organisieren, Positionen zu entwickeln und sich für die Anliegen der jungen Generation einzusetzen.
Adolph Kolping war in außergewöhnlicher Weise den Menschen zugewandt, nahm ihre Lebenswirklichkeit war und half dort, wo die Not am größten war.
Der Missbrauchsskandal erschüttert bereits seit den 1990er-Jahren die Katholische Kirche weltweit. Welche Auswirkungen hat die auch in der Öffentlichkeit heftig geführte Debatte auf die Mitglieder und das Wirken des Kolpingwerks?
Martin Rose: Dass wir uns der Thematik vorbehaltlos annehmen. Für uns gehört in der verbandlichen Arbeit die Prävention auf allen Ebenen zur Selbstverständlichkeit. Hier hat vor allen die Kolpingjugend bei der Erarbeitung von Konzepten und Schulungen innerverbandlich eine Vorreiterrolle übernommen. Für uns als Kolpinggeschwister ist es ein Herzensanliegen, dass Kirche, Politik und Gesellschaft sich endlich auf die Opferperspektive einlässt und für die Betroffenen die notwendige und umfassende Hilfe bereitstellt.
Wie würden Sie den folgenden Satz fortsetzen? “Gebet ist für mich…”
Martin Rose: Gebet ist für mich das immer wieder neue Erleben, vorbehaltlos durch Gott angenommen zu sein.
Ich danke für das Gespräch.