Da sein für Binnenschiffer

Anne Ressel

Frau Anne Ressel ist Pfarrerin in der Mannheimer Citygemeinde Hafen-Konkordien und Binnenschifferseelsorgerin in Mannheim-Ludwigshafen. Außerdem engagiert sie sich im Vorstand der Telefonseelsorge Rhein-Neckar e.V.. Ich freue mich, dass sich Frau Ressel zur Beantwortung der folgenden Fragen bereit gefunden hat.

Mich hat es schon immer gereizt, kirchlich dort unterwegs zu sein, wo Kirche nicht selbstverständlich und selbstredend ist.

Frau Ressel, wie kamen Sie in das “Amt” einer Binnenschifferseelsorgerin und was reizt Sie, mit Ihrem Kahn “Johann Hinrich Wichern” die Menschen aufzusuchen, die täglich auf den Wasserstraßen von Mannheim und Ludwigshafen entlang schippern?

Anne Ressel: Durch einen Stellenwechsel wurde die Stelle der Binnenschifferseelsorge 2015 vakant und da ich zu der Zeit nur eine halbe Stelle versorgte, überlegte ich aufzustocken. Mich hat es schon immer gereizt, kirchlich dort unterwegs zu sein, wo Kirche nicht selbstverständlich und selbstredend ist. Und ich bin gerne am und auf dem Wasser unterwegs.

Schiff vor der Düsseldorfer Rheinpromenade
Foto: Achim Beiermann

Stellt Ihre Form der Seelsorge eine aufsuchende Seelsorge dar? Gehen Sie auf die Menschen zu? Oder wenden sich die Menschen an Sie? Wie macht man bei entsprechendem Kommunikationsbedarf auf sich aufmerksam? Gibt es ein vereinbartes Zeichen, das den Bedarf deutlich macht, oder fahren Sie beispielsweise auf Verdacht an den Frachtschiffen vorbei und bieten Sie ein Gespräch per Zuruf an?

Anne Ressel: Ein Team ehrenamtlicher Bootsführer*innen und ich fahren zwei Mal in der Woche raus und fahren die Schiffe im Hafen auf Verdacht an. Manchmal ergeben sich nur kurze grüßende Begegnungen, manchmal dann auch längere Gespräche. Allerdings sind die Binnenschiffer häufig mit Laden und Löschen ganz in Beschlag genommen, oder sind mit Instandhaltungsmaßnahmen an Bord beschäftigt. Dann zeigen wir zumindest: Wir sind für euch da. Selten kommt es auch vor, dass Binnenschiffer mich anrufen mit konkreten Fragen zu Lebensbegleitung.

Wenn man die stark abnehmenden Zahlen von klassischen Kirchenbesuchern sieht und dann an die vergleichsweise geringe Zahl von Schiffern denkt, fragt man sich als Außenstehender ganz platt gesprochen: Lohnt sich der Aufwand?

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Anne Ressel: Natürlich sind die Zahlen – vor allem deutscher Partikulier – in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Aber es sind nach wie vor viele Schiffe unterwegs, die Binnenschiffer stellen ganz unbeachtet von der Gesellschaft unsere Versorgung sicher. Aber keinen interessiert, wie es ihnen geht.

Binnenschiff
Binnenschiffer mit der Familie unterwegs
Foto: Achim Beiermann

Da setzen wir mit der Seelsorge ein, wie ich finde, wichtiges Zeichen. Zudem nutze ich das Kirchenschiff zunehmend als schwimmenden Kirchraum für kleine Feiern von Übergängen wie Taufen, Neuorientierungen im Leben, Studienanfänge und Ähnliches. Das bringt auch mit sich, dass Mannheimer wahrnehmen, dass sie am Wasser leben und ein großer Hafen ihre Stadt mehr prägt, als den meisten bewusst ist.

Wichtig ist mir auch, dass die Arbeit getragen wird von einem treuen Kreis Ehrenamtlicher, die zum Teil kaum Kontakt zu Kirche haben, aber durch die Arbeit auf der „Wichern“ für sich selbst erfahren, welchen Stellenwert Seelsorge haben kann.

Gebet bedeutet für mich, die Oberleitung einzuklinken und so dem Wirken Gottes in dieser Welt Raum zu geben.

Gibt es ein Erlebnis, das sich Ihnen im Rahmen Ihrer Schifferseelsorge besonders eingeprägt hat?

Anne Ressel: Anlässlich einer Nikolausfahrt während des Corona-Lockdowns fuhren wir ein Schiff an. Der Eigner kam an Deck und bedankte sich überschwänglich. Er könne uns nicht an Bord bitten, seit Wochen seien er und seine Mannschaft völlig isoliert, sie gingen auch nicht mehr an Land, um ihre Fahrten nicht zu gefährden. Da sei es so wunderbar zu wissen, dass man nicht vergessen ist. Dann ist es das eine, die Nikolaustüte hinüber zu reichen, das andere voller Ernst zu wünschen: Gott segne Sie, bleiben Sie gut behütet.

Frage: Wie würden Sie den folgenden Satz fortsetzen? “Gebet ist für mich…”

Anne Ressel: Gebet ist für mich in festen Formen oder ganz formlos, oft singend, die Oberleitung einzuklinken und so dem Wirken Gottes in dieser Welt Raum zu geben.

Ich danke für das Gespräch.

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