Seelsorge am Flughafen Düsseldorf

Frau Clevers, Herr Westerdick

Die Diplom-Sozialpädagogin Ute Clevers und der Pastoralreferent Johannes Westerdick sind Flughafenseelsorgerin und -seelsorger am Düsseldorf Airport. Die Seelsorge ist ein Angebot der Kirchen für alle Menschen, die sich am Flughafen aufhalten, egal ob religiös oder nicht.

Ich freue mich, dass Frau Clevers und Herr Westerdick sich die Zeit genommen haben, meine Fragen zu beantworten.

Frau Clevers, Herr Westerdick, wie sind Sie zur Flughafenseelsorge gekommen?

Ute Clevers: Meine beruflichen Stationen vorher waren geprägt von Gemeinde und Diakonie, Vermittlung in die sozialen Hilfssysteme und Beratung. Dazu sammelte ich Leitungserfahrungen in der Bahnhofsmission und Radstation in Krefeld sowie bei der Freiwilligenzentrale in Viersen.

Direkt vor der Flughafenseelsorge war ich zuständig für die Gewinnung, Schulung und Begleitung von Ehrenamtlichen, die sich ab 2015 für Geflüchtete sowohl in den Anlaufstellen als auch in den 45 Unterkünften der Diakonie Düsseldorf einsetzten. Als in diesem Bereich die Strukturen geschaffen waren und sich alles etwas beruhigte, wurde mir angeboten, in die Flughafenseelsorge zu wechseln. Das habe ich sehr gerne angenommen. Der Ort mit seinen besonderen Herausforderungen und den vielen unterschiedlichen Menschen hat mich von Anfang an gereizt.

Düsseldorf Airport
Düsseldorf Airport
Foto: iStock/VanderWolf-Images

Johannes Westerdick: Bei mir war es bis zum “Abheben” in der Flughafenseelsorge ein langer Weg. Ich habe Diplomtheologie in Bochum studiert und wurde danach Pastoralreferent im Erzbistum Köln. Neben der gemeindlichen Arbeit haben mich psychologische Zusammenhänge sehr interessiert. So habe ich eine Gesprächs- und Körpertherapieausbildung gemacht.

Für mich ist es eine tolle Herausforderung, täglich mit den unterschiedlichsten Menschen in Kontakt zu kommen.

Johannes Westerdick

Aus dem gemeindlichen Kontext bin ich dann in die Klinikseelsorge gewechselt und habe in dieser Zeit noch eine Supervisionsausbildung abgeschlossen. Nach fünfzehn Jahren muss man im Erzbistum meist die Stelle wechseln. Auf der Suche nach einer neuen Perspektive bin ich beim spannenden Projekt “Die Seelsorge am Düsseldorf Airport” gelandet. Das hat mich sofort fasziniert.

Ich finde es eine tolle Herausforderung, täglich mit den unterschiedlichsten Menschen und Lebensgeschichten in Kontakt zu kommen.

Welche Herausforderungen sehen Sie speziell in der Seelsorge am Flughafen im Vergleich zu anderen Orten?

Ute Clevers: Am Flughafen ist ein ständiges Kommen und Gehen, die Mitarbeitenden arbeiten in laufend wechselnden Schichten. Wir können also keine festen Gebetszeiten oder Gruppenangebote machen. Dafür können wir jederzeit in kurzen, direkten Gesprächen viel erreichen. Wir wissen morgens nicht, was der Tag so bringt – eine schöne Herausforderung 

Johannes Westderdick: Eigentlich ist Kirche ein “Fremdkörper” am wirtschaftsorientierten Flughafen. Insofern gilt es, die Regeln und Rahmenbedingungen des Unternehmens zu achten und gleichzeitig in besonderer Weise Kirche vor Ort zu sein.

Nun haben wir das große Glück, dass – auch durch unsere evangelischen Vorgänger – Seelsorge am Flughafen positiv, hilfreich und unterstützend erlebt wurde. Die Geschäftsführung ist unserem Angebot sehr zugetan.

Wie gehen Sie mit verschiedenen kulturellen Hintergründen und religiösen Überzeugungen der Flughafenbesucher um?

Ute Clevers: In unserem ehrenamtlichen Team engagieren sich mehr als 40 Menschen. Einige kommen aus der anglikanischen Tradition, andere aus der römisch-katholischen oder evangelischen, wieder andere sind nicht kirchlich sozialisiert. Jede und jeder erlebt Gott auf andere Weise. Und mit dieser Offenheit begegnen wir allen Menschen am Flughafen. 

Johannes Westerdick: Zunächst geht es hier bei der Flughafenseelsorge immer um Menschen, egal welcher Kultur und Religion sie angehören. Natürlich braucht es manchmal religiösen und kulturellen Background, um angemessen und respektvoll zu begleiten. Aber unser Blick gehört immer dem Mensch, der mir begegnet. Wir versuchen diesem dann “An-Sehen” zu verleihen. Das kann ein “Guten Morgen”, ein “Gute Reise”, oder genauso ein “Kann ich Ihnen helfen?” sein.

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Können Sie uns eine berührende oder besondere Erfahrung teilen, die Sie während Ihrer Arbeit am Flughafen hatten?

Ute Clevers: Für mich ist es immer wieder toll zu erleben, wie sich aus einer schweren und aussichtslos erscheinenden Situation etwas Gutes und Leichtes entwickelt. Wenn Menschen trostlos oder weinend im Terminal sitzen, wir sie ansprechen und sie sich nach einiger Zeit der Zuwendung, des Zuhörens, des einfach Da-seins, beruhigen.

Sie können dann wieder eigene Ideen entwickeln und gehen – eventuell durch unsere Vermittlung – den nächsten Schritt in ihre Zukunft. Zum Beispiel der junge Mann aus Südamerika, der mit einem Touristen-Visum eingereist war, und von seinem Bekannten, bei dem er wohnte, völlig ausgenutzt wurde. Er war verzweifelt, da er wegen Corona nicht mehr in sein Heimatland zurückfliegen konnte.

Zu erleben, wie ein Menschen vom “Häufchen Elend” zum aufrecht stehenden Menschen wird, ist wirklich bereichernd.

Ute Clevers

Wo sollte er hin ohne Geld und ohne Sprachkenntnisse? Wir vermittelten ihn in die Obdachlosenhilfe, die ihm mit einer Unterkunft weiterhalf. Nach einiger Zeit besuchte er einen Sprachkurs und schließlich fand er einen Job. 

Zu erleben, wie ein Menschen vom sprichwörtlichen “Häufchen Elend” zum aufrecht stehenden Menschen wird, ist wirklich bereichernd. Hier wirkt für mich Gottes Geist.

Counter der Flughafenseelsorge
Counter der Flughafenseelsorge
Foto: Clevers/Westerdick

Johannes Westerdick: Da Lebensgeschichten immer berührend sind, gibt es sicher eine Vielzahl von intensiven Erfahrungen, was im Übrigen diese Arbeit auch so erfüllend macht.

Eine sehr beeindruckende Erfahrung war für mich die Betreuung einer marokkanischen Familie, die aus dem Heimaturlaub zurückkehrte mit dem Sarg ihres fünfjährigen Sohnes. Sie kamen mit großer Familie und waren verständlicher Weise extrem betroffen.

Da sie spät mit dem Flieger reinkamen, kam es zu organisatorischen Problemen mit dem Sarg beim Zoll. Es war niemand mehr da, der die “Einreise” stempeln konnte. So musste einige Zeit überbrückt werden. Schließlich gelang es mir, mit dem Netzwerk des Flughafens eine Lösung zu entwickeln. Die Familie konnte den Sarg dann im Fahrzeug des Bestatters auf einem leeren Parkplatz “in Empfang” nehmen.

Beim Abschied umarmte mich die muslimische Mutter dankbar in Anwesenheit ihres Mannes. Das ist ja eigentlich ein “No-Go”. Aber hier war es Ausdruck davon, dass sie sich über mehrere Stunden gut betreut gefühlt haben.

Außerdem verteilen wir gerne den “Reisesegen-to-go”. Das sind Lesezeichen mit unterschiedlichen Segensprüchen aus der Bibel. Die Reisenden ziehen sich einen aus einer größeren Auswahl und plötzlich ist Gott mitten dabei. Häufig hat der ausgewählte Segensspruch etwas mit der ganz persönlichen Lebenssituation zu tun. Und das berührt dann sehr.

Wie würden Sie den folgenden Satz fortsetzen? “Gebet ist für mich…”

Ute Clevers: Gebet ist für mich eine Kraftquelle. Gebet ist für mich ein Moment, wo ich alles Gott überlasse: das, was geklappt hat, und das, was noch unklar ist. 

Johannes Westerdick: Gebet ist für mich gelebte Beziehung zu Gott. Das kann laut ausgesprochen im Gottesdienst, in Gedanken im Alltag oder auch direkt im Kontakt zu “Gottes Ebenbild”, also dem Menschen, der mir grade begegnet, geschehen.

Ich danke für das Gespräch.


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