In allen Lebenslagen Gott entgegenbeten

Anneliese Hecht

Die Bibeltheologin Anneliese Hecht hat die folgende Predigt zum Thema “Gebet“ am 17. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr C, Gen 18 und Lk 11, in St. Eberhard, Stuttgart, gehalten. Ich freue mich, dass ich diese beeindruckende Predigt an dieser Stelle wiedergeben darf.

Liebe Brüder und Schwestern!

1 Küngeleien mit Gott

Ich bin ab und zu im Orient. Bekanntlich handelt man dort oft den Preis und anderes aus. Abschätzig sagen wir: Man schachert um etwas oder jemand. Der Abraham der heutigen Lesung schachert mit Gott ganz ordentlich um das Leben der Gerechten in Sodom, der verderbten Stadt, die ihr eigenes Verhalten am eigenen Leibe schmecken soll. Und Abraham hat Erfolg. Oder hat er etwa Gott nur müde gemacht durch seine Langatmigkeit, wie Seneca einmal das Gebet definierte: die Götter müde machen? „Küngelst du wieder mit Gott?“ sagte neulich ein Pfarrer zu mir, als ich ihm erzählte, dass ich mit Gott auch manchmal so ähnlich direkt rede wie Abraham. Zum Beispiel sollte ich vor einem Jahr zu einem Vortrag an einen Ort, wohin ich nicht gerne ging. Und dann fand und fand ich das Haus nicht und irrte lange herum. Es war auch schon gleich die Uhrzeit erreicht, zu der ich anfangen sollte. Da sagte ich entnervt zu Gott: Also, ich gebe dir noch 5 Minuten, dass ich dorthin finde. Wenn nicht, gehe ich heim. Es ist ja schließlich deine Sache, die ich da vertreten soll.“ Es hat gleich geklappt. Eine Minute später trat aus dem Haus, an dem ich viermal vorbeigegangen war, die Schwester heraus, die mich dorthin vermittelt hatte. Und ich sagte mir: Hätte ich mal schon früher Klartext geredet.“

Mit Gott handeln wie auf dem Markt
Mit Gott handeln wie auf dem Markt?
Foto: Pixabay

Aber Spaß beiseite: Abraham geht auf Du und Du mit Gott um. Das ist seine Art zu beten wie bei so vielen biblischen Menschen. Er redet familiär mit ihm wie mit einem menschlichen Gegenüber. Und Gott lässt sich auf ihn ein. Oft erzählt das Volk Israel in der Bibel, dass es Gott wie einen Vater oder eine Mutter erlebt, dass er ganz fürsorglich ist und dass sein Volk für ihn wie ein „Sohn“ ist (vgl. Hos 11). Und so reden sie mit ihm wie in einer Familie. Aber dieser „Familienvater“ Gott sorgt auch dafür, dass alle leben können. Er sorgt also für Gerechtigkeit. Die dem Leben schaden, muss er eindämmen und andererseits für die sorgen, die aufbauend wirken. „Das ist nicht so einfach in einer gemischten Gesellschaft“, denkt sicher auch der Abraham unserer Geschichte. Aber er muss da Gott durchaus nicht auf die Sprünge helfen. Sein Gott hat schon längst hingehört auf die Klagen der geschundenen Menschen und ist mal wieder „heruntergekommen“, um für sie Partei zu ergreifen. Dieser Gott gibt von sich aus – ohne gebeten werden zu müssen – unzählige Chancen zur Umkehr, hier den Sodomitern, an anderer Stelle den Ägyptern und seinem Volk Israel. Abrahams Gottesbild wird im Gespräch weiter, sein Gott erweist sich als barmherziger, als er es ihm bisher zugetraut hat.

„Und haben deine Küngeleien mit Gott oft Erfolg?“, fragte mich der Pfarrer. „Erstaunlicherweise antwortet er oft. Und oft muss ich lachen“, antwortete ich. „Aber ich muss gestehen: Sehr oft spüre ich Gott auch gar nicht. Ich weiß dann nicht, was und wie ich beten soll, obwohl ich schon so tiefe Erfahrungen gemacht habe.“

2 Beten – sein ganzes Leben vor Gott zur Sprache bringen

Leider verlerne ich immer wieder oder lasse es durch Anderes überlagern, was ich von den Menschen in der Bibel gelernt habe: Beten ist: sein ganzes Sein und Leben vor Gott zur Sprache bringen. Loben, klagen, fragen, bitten, danken, toben. Die Psalmen zeigen uns, wie das geht. Oder ein Ijob lehrt es uns, der Gott alles heißt in seiner Auflehnung: einen Kriegsherrn, einen Oberpolizisten, Verbrecher oder Unrecht-Tuenden. Während seine Freunde Gott verteidigen und zu Ijiob als „gute“ Theologen sagen: „So geht man nicht mit Gott um. So ist Gott auf keinen Fall.“ sagt Gott selbst: „Sie haben nicht recht von mir geredet wie mein Freund Ijiob.“ Also ist es recht, in jeder Weise mit Gott zu reden, nicht über ihn. Es ist recht, ihm alle Wut zu sagen, alles Nichtverstehen; auch den Hass, wie es die Beter und Beterinnen der Rachepsalmen vormachen. Sie leben diesen Hass nicht aus, sie schleudern ihn betend Gott entgegen, der ihn verwandeln kann in Heilvolles.

Betende Hände
Gebet ist inneres Einverständnis mit Gott
Foto: Pixabay

Der Rabbiner Abraham Heschel hat in seinem Buch „Der Mensch fragt nach Gott“ das Hauptziel des Betens so formuliert: „Gott zu bewegen, ihn an unserem Leben Anteil nehmen zu lassen und uns zu bewegen, an Ihm Anteil zu nehmen“. Gebet ist inneres Einverständnis mit Gott. Lobpreis ist so: Gottes Anliegen fühlen und würdigen. Bitten ist: Gott unsere Anliegen fühlen zu lassen.“

Beten – sein ganzes Leben vor Gott zur Sprache bringen. Das hat auch Jesus nach den Evangelien während seines ganzen Wirkens getan. Vor allem nach dem Lukasevangelium ist das Gebet die Quelle seines Handelns, seiner Kraft und seiner Verkündigung. Entscheidendes im Leben geschieht, während Jesus betet: die Gotteserfahrung in der Taufe, die Wahl der Zwölf usw. Höhen und Tiefen drückt Jesus im Gebet aus, seine Hingabe an den Vater und an die Menschen. Der Evangelist Markus glättet seine Darstellungen nicht so sehr, wie es Lukas zuweilen tut. So stirbt Jesus bei ihm mit dem Psalmwort auf den Lippen: „Mein Gott, warum hat du mich verlassen?“. Er betet sich im Tod dem abwesend erfahrenen Gott entgegen. Er kennt die Abgründe des Betens und was es heißt, sich in allen Lebenslagen Gott entgegenzubeten. So können wir uns ihm auch anvertrauen, wenn er selbst nach Lukas und Matthäus die ihm Nachfolgenden im Vaterunser von Grund auf das Beten lehrt.

Bei den Formulierungen des Vaterunsers steht Jesus ganz und gar in der langen Gebetstradition des jüdischen Gottesvolkes und stellt auch uns hinein. Im Folgenden will ich mit Ihnen dieses einzige und einzigartige Gebet, das Jesus seine Schüler und Schülerinnen lehrte, noch etwas betrachten in der Fassung nach Lukas 11, im heutigen Evangelium. Einige Fragen sollen uns dabei helfen:

3 Zum Vaterunser

3.1 Welche Bedeutung hat dieses Gebet in den Evangelien und der frühen Kirche?

In der knappen lukanischen Fassung, die die älteste ist, die uns vom Vaterunser vorliegt, ist sehr deutlich zu spüren: Es ist ein Leitgebet, ein Kerngebet, das Wesentlichstes der Gottesbeziehung eines Menschen bündelt und auf den Punkt bringt. Darum kann man es oft und oft beten. Eine altehrwürdige Schrift der frühen Kirche, die „12-Apostel-Lehre“ oder „Didache“ (um 100 n.Chr.), der wir auch den Vaterunser-Zusatz „Denn dein ist das Reich“ verdanken, sagt: Christen sollen das Vaterunser dreimal am Tag beten, so wie Juden das “Schema Israel“, das „Höre, Israel“. Noch heute tun das zum Beispiel die syrisch-orthodoxen Christen.

Vaterunser
Das deutsche Vaterunser in der Paternosterkirche, Jerusalem
Foto: Imma Beiermann

3.2 Wer soll das Vaterunser beten?

Nach Lukas ist es das Gebet der Jünger und Jüngerinnen Jesu, oder anders gesagt: das Gebet derer, die zu Christus gehören und von seinem Geist ergriffen sind und in seiner Weise leben. Es hilft ihnen, mehr und mehr in Jesu Gottesbeziehung hineinzufinden. Denn er hat ja alle Getauften neben sich gestellt, als Söhne und Töchter Gottes. So gehören sie zur Familie Gottes mit ganz hoher Würde. Sie, alle Getauften, sind nach dem NT „Geistliche“ (die den Geist empfangen haben in der Taufe) und „Kleriker“, d.h. Erbberechtigte des Gottesreiches (vgl. Gal 4,6f; Röm 8,17; 1 Kor 12,13).

3.3 Worum beten wir im Vaterunser?

Das Gebet selbst besteht aus der Anrede und 2 Strophen.

Die Anrede zeigt immer, in welcher Beziehung man zum Angeredeten steht. Und sie ist die „Seele“ des Gebetes. Die Anrede denken wir vor jeder Bitte, die folgt, mit. „Vater“, „pater“ steht da bei Lukas einfach. „Abba“ spricht Jesus in seiner Muttersprache, dem Aramäischen, Gott an in seinem Leben. Noch am Ölberg ist es uns überliefert (vgl. Mk 14,36). „Abba“ ist die familiäre, seit der Kindheit vertraute lebenslange Anrede des Vaters. Diese so nahe, angstfreie Anrede Gottes wurde prägend für das Gebet der frühen Christen. Wir wissen durch Paulus, dass auch griechisch sprechende Christen, die gar nicht aramäisch konnten, gerne mit diesem aramäischen Wort beteten. Oder wie Paulus es sagt: Es betet in ihrem Innersten „abba“, durch die Verbundenheit mit Jesus, als Söhne und Töchter Gottes (vgl. Gal 4,6; Röm 8,15).

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Dann kommt die erste Strophe mit 2 Du-Bitten. Beide enden in der griechischen Fassung mit „dein“. Die erste Bitte „Dein Name werde geheiligt“ bedeutet: Ich glaube, dass du in der Welt bewirkst, was dein Name – „JHWH“ (Jahwe) – bedeutet: Ich bin da für euch. Ich nehme Anteil am Anliegen Gottes: Er will da sein für die Menschen und die Welt. „Geheiligt“ im Wortsinn von „abgesondert, dem Menschen entzogen“ bedeutet, dass er anders handelt, als es Menschen von sich aus tun. Sie wollen häufig etwas für sich und die Erfüllung ihres Lebens tun, weil sie Angst haben, sonst zu kurz zu kommen. Gott heiligt nach Ez 36 ​(Vers 22-36) seinen Namen, wenn er die Menschen seines Volkes, die zerstörerisch wirkten, von innen her verwandelt und dem Leben zuwendet. Jesu hat schließlich in seinem Leben verkündet, vorgelebt und unglaublich eindrucksvoll vor Augen gestellt, wie umfassend Gott seinen Namen JHWH als Dasein für andere verwirklicht.

Die zweite Bitte entfaltet das Gleiche in einem anderen Bild: Dein Reich komme. Der griechische Ausdruck im Urtext des NT für „Reich Gottes“ ist besser zu übersetzen mit „Königsherrschaft Gottes“, weil es weniger einen Raum als die Art der Ausübung geht. Damit ist gemeint: Dein Wirken mache alles heil. „Wenn ich mit dem Finger Gottes heile und euch befreie von allem, was euch besetzt und nicht leben lässt (wörtlich „Dämonen), dann ist Gottes Reich schon mitten unter euch“, sagt Jesus in der dem Vaterunser folgenden Rede (vgl. Lk 11,20). Gottes „Reich“ bzw. besser Herrschaft steht im Gegensatz zu dem Herrschen der Mächtigen der Welt, die sich selbst groß machen auf Kosten von anderen. Gottes Reich/Herrschaft heilt und macht ganz, was beschädigt und krank ist, was nicht leben kann. Es lässt uns heute schon spüren und erahnen, wie unglaublich heilsam Gott ist und dereinst noch viel mehr sein wird. Die erste Strophe ist also Aufblick und Ausblick zu Gott und seinem Wirken.

See Genezareth
Am See Genezareth
Foto: Imma Beiermann

Die zweite Strophe enthält drei Wir-Bitten und ist durchzogen von einem sechsmaligen „uns“. Wir sind dankbar, denn wir nehmen wahr, wie Gott an uns konkret handelt, was er uns gibt, nicht von uns fordert!

Um drei Dinge bitten wir als Gabe Gottes für uns:

Als erstes, dass wir „Brot“ haben. Damit sind die Lebensmittel und alles Materielle gemeint, die unser leibliches Dasein braucht: vor allem Nahrung (Brot als Symbol, da es das Grundnahrungsmittel war), Kleidung, ein Zuhause. Unsere Lebensgrundlage. „Tag für Tag“, heißt es im Gebet, also nicht eine ängstliche Vorsorge für Tage und Jahre im Sinne einer Zukunftsangst, die man uns Deutschen besonders nachsagt. Ich erinnere mich an meine Kindheit in Armut und an meine Oma, die als verwitwete Bauernmagd in noch größerer Armut gelebt hat. Welches Gottvertrauen war bei Mutter und Großmutter da, dass Gott Tag für Tag das Nötige gebe. Die Handwerksburschen, die durchs Dorf wanderten und Hunger hatten, kamen besonders gern in Omas Haus, wo man am wenigsten im Dorf hatte und doch immer genug für den nächsten Tag. „Unser Brot für den nächsten Tag gib uns Tag um Tag“, steht da im Griechischen. Wenn die vielen bitterarmen Menschen zur Zeit Jesu am Abend wussten, dass es am Folgetag genug zu essen gäbe, konnten sie besser schlafen.

Als zweites bitten wir darum, dass uns unsere Sünden vergeben werden oder wörtlich aus dem Griechischen übersetzt, dass wir „befreite“, „erlöste“ Menschen werden. So nötig wie Lebensmittel für den Leib, so nötig ist Vergebung als Lebensmittel für die Seele. Eine Beziehung unter zwei Menschen – Partner(inne)n, Freund(inn)en oder Kolleg(inn)en – kann nur gedeihen, wenn wir einander geben. Und die höchste Gabe ist das Ver-geben, das Befreien von Schuld, von Belastendem und dem, was uns nicht leben lässt. „Sünde“ ist biblisch alles, was die Bindungen zwischen Menschen kaputt macht. Vergebung stellt sie wieder her. Vergeben ist wahre Liebe (s. das Gleichnis in der Erzählung Lk 7,35ff), ist Angenommensein mit allem, was man ist, auch dem Nichtliebenswerten. Vergebung ist im besten Sinn Hingabe, die selber Hingabe hervorbringt. So können wir selbst auch mit voller Überzeugung anderen vergeben. Und etwas kommt noch dazu: Indem wir selbst vergeben, erfahren wir immer mehr, wie sehr Gott als die Quelle aller Liebe uns selbst beschenkt und vergibt. Gottesbeziehung und Menschenbeziehung entsprechen und beeinflussen einander immer. Befreiung gibt man sich nicht selbst. Man lässt sie sich schenken! Und geht sogar nach Möglichkeit in Vorleistung, denn wörtlich lesen wir die Bitte im Urtext: Und vergib uns, wie auch wir vergeben haben!

Als drittes bitten wir darum, nicht in Versuchung geführt zu werden. Diese Bitte bereitet vielen Menschen Schwierigkeiten. Führt Gott Menschen in Versuchung? „Nein“, sagt der Jakobusbrief. „Gott verführt niemanden zum Böses-Tun. Jeder wird von der eigenen Begierde … in Versuchung geführt.“ (Jak 1,13f). Deshalb übersetzen manche – was vom griechischen Text her möglich ist – „und führe uns in der Versuchung“, bringe uns heraus aus dem, was uns von dir weglocken will. Versuchung ist die Folge der Freiheit des Menschen, sich entscheiden zu können mit ja oder nein, dem Leben zu dienen oder ihm zu schaden, Böses zu tun oder Gutes zu tun (vgl. Mk 3,3). Versuchung erfahre ich, wenn ich weiteresse oder -rauche, obwohl es mir nicht gut tut, wenn ich mir unredlich einen Vorteil verschaffen will usw. „Bringe uns nicht in Versuchung hinein“ bittet dann darum: Greife du Gott ein, bevor etwas auf der Kippe steht, was mir, meiner Beziehung zu dir, zu den Mitmenschen oder deiner Schöpfung schaden würde. Und es meint auch, wenn man andere Bibelstellen einbezieht: Lass uns nicht an dir verzweifeln, lass uns nicht den Glauben verlieren, dass du uns ins Heil führen wirst.

Im Garten Gethsemane auf dem Ölberg lehrte Jesus seine Jünger das Vaterunser
Foto: Imma Beiermann

3.4 Wie bewegt uns das Vaterunser?

Das Vaterunser bewegt uns in der Kreuzesform:

Aufblick und Aufwärtsbewegung in der 1. Strophe (vertikal),
Hingabe und Abwärtsbewegung in dem, was Gott uns gibt (Brot und Vergebung) und schließlich Weitergabe an andere (= horizontal) in der 2. Strophe.
Wir können das immer mal wieder mit Gesten beim Beten des Vaterunsers unterstreichen.

4 Abba-Gebet und Jesus-Gebet

Das Vaterunser als Grundgebet verdichtet sich noch einmal in einer noch einfacheren und zugleich sehr tiefen Form des Gebetes, die nur noch ein einziges Wort zu Hilfe nimmt: „Abba“ – oder „Jesus“. Dieses Gebet haben die Urchristen gekannt (vgl. Gal 4 und Röm 8). Solche Form des Gebetes nennen wir Meditation oder Kontemplation. Meditation meint von der lateinischen Wortbedeutung her: Übung, Kontemplation die Anschauung. Wir üben uns oder schwingen uns in dem einen Wort „abba“ in die Gottesbeziehung ein und im Wort „Jesus“ in die Christusbeziehung.

Wir sagen im Geist das Wort „Abba“ oder „Jesus“ immer vor uns hin und lassen es mit der Zeit in uns selbst sprechen, ohne darüber nachzudenken oder kluge Gedanken zu wälzen, ohne große Gefühle, ohne Bilder, die wir herbeirufen. Wir nehmen das Wort wie ein Geländer oder Anker, das uns Halt gibt mitten in den abschweifenden Gedanken und sind einfach so vor Gott da. Das ist ganz einfach. Man kann damit anfangen, das 2 Minuten am Tag zu tun, in Gebetshaltung, an einem Ort, der hilft, sich zu sammeln oder ganz einfach, wo man auf die Straßenbahn wartet, wo man bügelt, wo man zwischendurch Zeit hat… Mit der Zeit kann es mehr Zeit einnehmen. Wichtiger ist am Anfang die Regelmäßigkeit als die Dauer. Das Wort, das ich sage mit jedem Atemzug, mit dem ich ein- oder ausatme, ist mein Geländer. Es ist egal, wie oft ich in Gedanken abschweife. Ich bewerte das nicht und kehre immer wieder zu meinem Wort zurück, ergreife mein Geländer. Das führt mit der Zeit zu einer ganz tiefen Gottesbeziehung. Das ist mir selber das liebste Gebet. Es ist absolut einfach, stellt keine Ansprüche, macht offen, nimmt an, was Gott mir schenken will, verändert mich mehr und mehr, macht mich vertrauensvoller.

So bestätigt sich mir, was ein Mensch mit einer geistigen Behinderung vor ein paar Monaten ergriffen an einem Wallfahrtsort stehend zu meiner Freundin gesagt hat: „Jedes Gebet heilt die Seele.“

Wir halten 2 Minuten Stille.

Ich schlage vor, dass diejenigen, die mögen, das Wort „abba“ oder „Jesus“ innerlich sprechen, mit dem Atem, wie er kommt und geht. Ganz einfach.

Amen.

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