Citykirchenpfarrer in Düsseldorf

Dr. Gert Brinkmann

Dr. Gert Brinkmann ist seit 2022 als Citykirchenpfarrer der evangelischen Johanneskirche in Düsseldorf-Mitte tätig. Außerdem ist er Mitglied der Synode der EKD. Ich freue mich, dass Herr Brinkmann sich die Zeit genommen hat, meine Fragen zu beantworten.

Herr Brinkmann, Sie sind seit etwa 1 1/2 Jahren Pfarrer in der evangelischen Johanneskirche in Düsseldorf. Da sich die Johanneskirche auch Citykirche nennt, direkt dazu die erste Frage: Was unterscheidet eine Stadtkirche von einer „normalen“ Kirchengemeinde?

Dr. Gert Brinkmann: Zu einer klassischen Kirchengemeinde zählen die Menschen, die – vereinfacht gesagt – rund um den Kirchturm wohnen. Die dort tätige Pfarrerin bzw. der Pfarrer ist für alles zuständig, was im kirchlichen Sinne die in dieser Gemeinde lebenden Menschen betrifft. Zum Beispiel für Taufen, Konfirmationen, Trauungen und Beerdigungen. Kurz: Wer am kirchlichen Leben teilnimmt, also von Krabbelgruppen über Jugendgruppen bis hin zu Bibel- und Seniorenkreisen, orientiert sich meist an seiner örtlichen Kirche. 

In unserer Stadtkirche hingegen haben wir keine Mitglieder um unseren Kirchturm herum. Die Johanneskirche lädt vielmehr Menschen ein, die in der Stadt arbeiten, einkaufen oder flanieren. Ich als Citykirchenpfarrer habe den Auftrag, das Thema „evangelische Kirche“ in diesem Umfeld zu gestalten und Menschen in der Stadt Düsseldorf anzusprechen. 

Beispielsweise mit den Gottesdiensten und Andachten, die hier regelmäßig stattfinden, aber auch durch Kulturarbeit. Vor allen Dingen mit Musik, mit Kunstausstellungen und demnächst auch mit Bildungsarbeit, weil die Evangelische Stadtakademie hier einzieht.

Johanneskirche Düsseldorf
Johanneskirche in Düsseldorf-Mitte
Foto: Achim Beiermann

Bevor Sie zur Stadtkirche kamen, waren Sie 27 Jahre lang Gemeindepfarrer in Ratingen. Wenn Sie heute auf diese Zeit zurückblicken, gibt es da etwas, was Sie als Citykirchenpfarrer vermissen?

Dr. Gert Brinkmann: Die Zeit in Ratingen war eine sehr schöne Zeit, aber jetzt macht es mir hier genauso viel Freude. Ich glaube, dass ich vieles an Erfahrung mitgebracht habe, zum Beispiel was Seelsorge betrifft. Das ist ein wichtiger Punkt hier in der Citykirche, so etwa durch das Café, das sechs Stunden täglich von Dienstag bis Samstag geöffnet ist. Wenn man als Seelsorger hier ist, wird man automatisch angesprochen. 

Die Johanneskirche lädt Menschen ein, die in der Stadt arbeiten, einkaufen oder flanieren.

Unsere Johanneskirche liegt zwischen Hauptbahnhof und der Königsallee: Die Menschen, die an diesen doch sehr unterschiedlichen Orten unterwegs sind, kommen auch zu ins Café. Also elegant gekleidete Leute, die hier gerne einen Latte Macchiato trinken, aber genauso Menschen, die obdachlos sind oder vielleicht nur sehr wenig Geld haben und die dann vom Café-Team den Kaffee einfach so bekommen. 

Im Winter treffen Sie hier auch Leute, die sich aufwärmen, weil das Heizen zu Hause vielleicht zu teuer ist. 

Das alles funktioniert hier vor Ort, bringt aber auch viel Seelsorgebedarf mit sich. Sowohl für die, denen es im Leben materiell nicht so gut geht, als auch für die, die eigentlich materiell das zum Leben haben, was sie brauchen, aber Fragen oder Probleme haben bzw. einfach nur interessiert hereinkommen.

Sie sagten eingangs, dass eine Stadtkirche wie die Johanneskirche keine eigene, örtlich umrissene Pfarrgemeinde umfasst. Wie gelingt es Ihnen als Pfarrer, die Menschen trotzdem an die Johanneskirche zu binden?

Dr. Gert Brinkmann: Als ich hier im Advent 2022 startete, habe ich ja nicht bei Null angefangen. Meine beiden Vorgänger Thorsten Nolting und Uwe Vetter haben beide auf ihre Art und Weise hervorragende Arbeit geleistet. Dazu kommen sehr, sehr viele Menschen, die sich hier auf vielfältige Weise engagieren. Zum Beispiel all die Ehrenamtlichen, die mit zwei Teams das Kirchencafé werktags und am Sonntag betreiben. Dann diejenigen, die im Gottesdienst-Team mitarbeiten, oder die, die in den Chören mitsingen. 

Die Art und Weise, wie hier seit vielen Jahrzehnten Gottesdienste gefeiert werden, die tollen Konzerte mit sehr guten Chören, all das bindet Leute. Nicht nur das Glaubensthema, nicht nur die Religion, sondern auch das, was man hier kulturell erleben kann, besitzt eine große Anziehungskraft. 

Die Coronazeit hat natürlich dazu geführt, dass weniger Menschen die Gottesdienste und Konzerte besucht haben. Hier nähern wir uns langsam wieder den Zahlen, wie es vor Corona war. 

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Was macht die Johanneskirche anziehend? Wir versuchen, darauf zu achten, dass wir hier sehr gute Qualität abliefern, auch in unseren Gottesdiensten. Natürlich geht auch mal was daneben, wie überall im Leben, aber dass Gottesdienste einen roten Faden haben, dass wir versuchen so zu predigen, dass das eine Lebensnähe hat, dass Zuversicht darin steckt und die Leute etwas mitnehmen können. Das gehört seit vielen Jahrzehnten zur DNA der Johanneskirche. 

Die Johanneskirche ist auch ein Ausstellungsort für exzellente Kunst: So werden wir uns ab dem 27. April 2024 an der Düsseldorfer „Nacht der Museen“ beteiligen. Wir haben unter anderem einen japanischen Künstler, Hiroyuki Masuyama, der eine begehbare Kugel geschaffen hat, in der man den Sternenhimmel erlebt. 

Diese Installation wird vier Wochen in der Kirche zu besichtigen sein. 

Hiroyuki Masuyama
Begehbare Kugel – Sternenhimmel – mit dem Künstler Hiroyuki Masuyama
Foto: Achim Beiermann

In der zweiten Jahreshälfte gibt es in der ganzen rheinischen Kirche von Kleve runter bis nach Saarbrücken an sieben Orten eine Ausstellungsreihe zum Thema „Apokalypse“. Durch den Klimawandel, aber auch durch die aktuellen Kriege haben viele Menschen ja inzwischen das Gefühl, irgendwie geht es zu Ende und alles geht den Bach runter. Diese Krisen werden von Künstlerinnen und Künstlern entsprechend thematisiert, so auch in unserer Kirche. Am Ende suchen wir nach Perspektiven, was uns Mut zum Leben macht.

Durch das derzeit nahezu ringsum eingerüstete Gebäude wird deutlich, dass die 1881 eingeweihte Kirche einer dringenden Sanierung bedurfte. Aber nicht nur äußerlich tut sich etwas, sondern auch im Inneren der Stadtkirche sind Veränderungen geplant. Stichwort „Stadtakademie“.

Dr. Gert Brinkmann: Die Leitung des Kirchenkreises hat vor einigen Jahren beschlossen, dass das Haus der Kirche in der Bastionstraße geschlossen wird. Damit stellte sich gleichzeitig die Frage, wo die Stadtakademie dann ein Zuhause finden kann? 

Da in der Johanneskirche ohnehin sowohl innen als auch außen eine umfassende Sanierung erforderlich war, wurde der Beschluss gefasst, die beiden Arbeitsbereiche zusammenzuführen und die Erwachsenenbildung an der Johanneskirche anzusiedeln. 

Daraufhin haben wir – Stadtakademie und Stadtkirche – gemeinsam überlegt, wie das räumlich funktionieren könnte, und haben schließlich ein gutes Konzept erarbeitet, das zur Zeit umgesetzt wird. Wenn die Umbauten abgeschlossen sind, wird die Stadtakademie mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hier einziehen. 

Welche räumliche Veränderungen wird es innerhalb der Kirchenräume geben? 

Dr. Gert Brinkmann: Im Erdgeschoss bleiben das Foyer mit dem Café und ebenso der Kirchenraum unverändert. Die ersten Etage, die so genannte Gemeindeetage, wird hingegen umstrukturiert. So wird es dort künftig einen großen Seminarraum für die Veranstaltungen der Stadtakademie geben.

Nach Abschluss der Bauarbeiten haben wir dann alles unter einem Dach. Wenn man so eng zusammen ist, kann man auf dem kurzem Weg mal eben Sachen besprechen und überlegen, wie machen wir das? Hast du eine Idee? Das wird für einen noch intensiveren Austausch sorgen.

Taufbecken
Taufbecken in der Johanneskirche
Foto: Achim Beiermann

Apropos Austausch. Ich habe erfahren, dass sich die Stadtkirche auch sehr intensiv um Menschen iranischer Abstammung kümmert. Können Sie das bitte näher erläutern?

Dr. Gert Brinkmann: Wir haben hier eine Community von etwa 40 Iranerinnen und Iranern, die fast alle getauft sind, die unsere Gottesdienste sehr regelmäßig besuchen, die im Café nach dem Gottesdienst sehr präsent sind und einen Bibelkreis haben. 

Meine Kollegin, Pfarrerin Dr. Yee Wan So, begleitet sie. Die Gruppe bringt sich auch in Gottesdienste mit ein. Frau So und ich versuchen in jeden Gottesdienst einen Bibeltext oder ein Gebet auf Farsi zu integrieren. Das Ganze ist ein Zweiglein, wo der große Baum der Kirche weiterwächst, eine Stelle, an der etwas Neues passiert.

Wie würden Sie den folgenden Satz fortsetzen? Gebet ist für mich…”

Dr. Gert Brinkmann: Gebet ist für mich ein Anker, wenn das Meer meines Lebens gerade mal unruhig ist und ich einen Halt brauche, den ich mir selbst nicht geben kann.

Ich danke für das Gespräch.

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