Ich möchte Christus auf frischer Tat ertappen

Andreas Malessa

Andreas Malessa ist Hörfunkjournalist bei der ARD, evangelisch-freikirchlicher Theologe, Sachbuchautor, Referent und Moderator auf Veranstaltungen mit religiös-kulturellen, kirchlichen und sozialethischen Themen. Ich freue mich, dass Herr Malessa sich die Zeit genommen hat, meine Fragen zu beantworten.

Herr Malessa, als ich zum ersten Mal bei Wikipedia las, was Sie alles sind und machen, hat mich das zugegebenermaßen fast erschlagen. Aus Ihrer Sicht bestimmt eine überflüssige Frage, aber wie ist es zu diesen vielen Tätigkeiten gekommen und noch wichtiger: Wie schaffen Sie das?

Andreas Malessa: Was von außen in der Tat “unschaffbar” vielfältig aussieht, ist in der beruflichen Realität simpel stringent: Es geht mir um Kommunikation des Evangeliums. Ich möchte ein die aktuelle Kultur beobachtender “Bewegungsmelder Gottes” sein und Christus auf frischer Tat ertappen. Im Leben beeindruckender Christinnen und Christen. Ob ich über diese Leute Radioreportagen aufnehme, Biografien schreibe oder in Predigten und Referaten von ihnen erzähle (oder ein ganzes Musical konzipiere) ist aus meiner Sicht immer dasselbe.

Es geht mir um Kommunikation des Evangeliums.

Wie es dazu kam?

Außer um einen Studienplatz und um meine Frau habe ich mich um nichts beworben. Ich wurde – schon als Schüler – immer gefragt, eingeladen, beauftragt. Von der Schülerzeitung bis zum Deutschlandfunk. Und rein arbeitsökonomisch zu “schaffen” ist das dadurch, dass ich nie irgendwo angestellt war, sondern immer als mein eigener Chef Projekte und Termine zu- oder absagen kann.

Unter dem Stichwort „Vita“ schreiben Sie auf Ihrer Website, dass Sie schon als Kind eine „1“ in Religion hatten. Was hat Sie schon als Kind und junger Mann an dem Thema interessiert, dass es Sie über das Theologiestudium bis zum Pastor im Bund evangelisch-freikirchlicher Gemeinden geführt hat?

Andreas Malessa: Wenn Du in einem Pastorenhaushalt aufwächst und täglich nach dem Essen ein Kapitel Bibel vorgelesen kriegst – was wir Kinder nur ertrugen, weil`s den Nachtisch erst hinterher gab – dann bist Du im Konfirmandenalter (und im Reli-Unterricht der Schule) bibelfester als die Lehrer. 19 Jahre lang wohnte und lebte ich in oder neben den Gemeindehäusern, d.h. Dir begegnet jede Sorte Mensch. Du kriegst gewollt oder ungewollt alles mit, was es an Charakteren, Temperamenten, an Heldentum und Niedertracht zu beobachten gibt. Davon zu erzählen, das alles vom Evangelium her zu reflektieren, verdichtete sich dann zum Studienwunsch Theologie.

Bibel
Die Heilige Schrift
Foto: Pixabay

Sie haben verschiedene Bücher geschrieben, unter anderem auch eines mit dem Titel „Am Anfang war die Floskel: Sie werden lachen – die Kirche meint’s ernst“. Dazu haben Sie an anderer Stelle einmal ausgeführt, dass, was sich liebt, auch neckt. Ganz konkret gefragt: Was lieben Sie an Ihrer Kirche?

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Andreas Malessa: Vordergründig: Kirchen (übrigens auch die Mehrheit der Freikirchen) bilden mit ihrer lebenslangen Wiederholung des immer gleichen ein kulturelles Heimat-Biotop für die Seele. Einen vertrauten Raum aus Liedern, Redewendungen, Bildern, Erfahrungen, Gefühlen, Ritualen. Und natürlich die Möglichkeit. dem lebendigen Auferstandenen zu begegnen in Brot und Wein und Wort und Bild etc.

Das institutionalisierte, organisierte Christentum bleibt eine Hüterin menschenfreundlicher Humanität.

Nicht nur der Katholischen Kirche laufen die Gläubigen davon, auch die Evangelische Kirche hat mit der „Schwindsucht“ zu kämpfen. Sieht es in Ihrer Freikirche besser aus und wenn ja, was machen Sie anders, um nicht zu sagen: besser?

Hintergründig: Trotz aller „Selbstverzwergung“ und Marginalisierung der beiden großen Kirchen, trotz mancher lächerlichen Abspaltungen in Freikirchen – „immer reiner, immer kleiner“ – bleibt das institutionalisierte, organisierte Christentum eine Hüterin menschenfreundlicher Humanität, eine Art Konservierungsstoff für Nächstenliebe, Empathiefähigkeit, Solidarität und Verantwortung in der – sonst nämlich verrohenden – Gesellschaft.

Andreas Malessa: Der „Bund evangelisch-freikirchlicher Gemeinden / Baptisten“ ist in Deutschland die größte unter den kleinen Freikirchen, leidet aber – proportional – auch unter Schwindsucht und Überalterung. In den USA sind Baptisten die größte evangelische Konfession, aber unterteilt in fünf (!) theologisch höchst unterschiedliche Verbände. Das Spektrum reicht von Menschensrechts-Vorkämpfern wie Martin Luther King und Jimmy Carter bis zu glühenden Donald-Trump-Verehrern wie Franklin Graham. Dem bieten die russlanddeutschen Baptisten gerade, pünktlich zu den US-Vorwahlen im Herbst 2023, eine große Bühne in Deutschland. Insofern ist der weltweite Baptismus ähnlich polarisiert wie die katholische Weltkirche. „Besser“ machen „wir“ das „kongregationalistische Prinzip“ der eigenverantwortlichen Autonomie der Ortsgemeinde, d.h. statt Bischofs-Hierarchie gibt`s Basisdemokratie. Ein „synodaler Weg“ gehört bei uns seit 400 Jahren zur spirituellen DNA.

Wie würden Sie den folgenden Satz fortsetzen? “Gebet ist für mich…”

Andreas Malessa: Gebet ist für mich kein pflicht- oder traditionsgemäßes Ritual mehr, sondern ein permanenter, aber oft im Schweigen und Hinhören stattfindender innerer Dialog mit Christus. Durchaus zu feststehenden Zeiten, „Atempausen für die Seele“ sozusagen und oft auch mit geliehenen Worten der Psalmen, aber nicht mehr so wie in jungen Jahren magischen Glaubens. „Lieber Gott, schenk´ mir jjjjjetzt einen Parkplatz“ und ähnliches.

Ich danke für das Gespräch.

Von Andreas Malessa wurden mehrere Bücher veröffentlicht (Auswahl): 
„Am Anfang war die Floskel: Sie werden lachen – die Kirche meint’s ernst“. Erschienen am 1.4.2022 im bene! Verlag.
„111 Bibeltexte, die man kennen muss“  Erschienen am 18.3.2021 im Emons Verlag.

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