„Wie geht es dir?“

Pfarrer Jürgen Hoffmann

Jürgen Hoffmann ist Pfarrer der evangelischen Tersteegen-Kirchengemeinde in Düsseldorf. Ich freue mich, dass Herr Hoffmann damit einverstanden ist, dass ich einen seiner täglichen spirituellen Impulse als aktuellen Beitrag (November 2023) für die Rubrik „An(ge)dacht“ verwenden darf.

In diesem Monat geht es mir um Fragen, die wir selbst zuerst stellen, wenn wir ins Gespräch mit jemandem kommen. Oft ist die erste Frage: „Wie geht es Dir?“ oder „Wie geht es Ihnen?“

Hinter dieser so leicht daher kommenden Frage steckt die erwartete Antwort: „Gut!“
Wenn die Antwort anders ausfällt, ist Aufmerksamkeit geboten. 
„Es geht so.“ oder „Den Umständen (oder dem Alter) entsprechend.“ oder „Könnte besser sein.“

Diese Antworten sind Signale. Dann gilt es zuzuhören und herauszuspüren: Möchte mein Gesprächspartner, dass ich vorsichtig weiterfrage? Und: Habe ich ein wirkliches Interesse an ihm oder ihr – und an einer ehrlichen Antwort? Kann ich mich auf das einlassen, was jetzt möglicherweise kommt? Oder ahne ich, dass es jetzt ernst werden könnte und ziehe mich doch lieber vorsichtig zurück?

Die kleine Frage „Wie geht es Ihnen?“ kann es durchaus in sich haben. Manchmal – und dann ist es ein Glücksfall – ist es wie eine Erlaubnis, erzählen zu dürfen, was alles gerade eben nicht so gut läuft. Und dann steht eine weitere Frage im Raum: „Kann ich etwas für dich (oder für Sie) tun?“

„Wie geht es dir?“
Foto: Pixabay/joakant

In einer Geschichte wird diese Frage zur Frage Jesu.
Als Blinder hat Bartimäus in seinem Leben nicht viele Optionen, im Grunde genommen: keine. 
Die Möglichkeit, die ihm bleibt, ist, zu betteln, um irgendwie zu überleben. Als Bartimäus hört, dass Jesus nach Jericho kommt, in seine (!) Stadt, da ahnt er, dass sich hier zum ersten und letzten Mal in seinem Leben noch einmal eine andere Perspektive öffnet. Eine Chance, die so nie wieder kommen wird. Bartimäus ergreift diese Chance und er ruft nach Jesus. Rufen? Nein, das ist untertrieben: Er schreit nach ihm! Das bringt ihm Ärger ein. Er soll bitte seinen Mund halten. Aber Bartimäus hört nicht auf. Er kann nicht und er will nicht. Und Jesus geht zu ihm. Er hört ihm zu und dann stellt er ihm diese Frage:

„Was möchtest du, dass ich für dich tun soll?“ (Lukasevangelium 18, 40)
Bartimäus‘ so schlichte wie berührende Antwort: „Herr, dass ich sehen kann.“
Was Jesus dann sagt und tut, ist nicht weniger berührend. „Sei sehend! Dein Glaube hat dir geholfen.“

In dem kindlichen Vertrauen von Bartimäus und der Empathie und Vollmacht von Jesus kommt es zu einem guten Ausgang der Geschichte, zu einer heilenden Begegnung. 

„Was kann ich für dich tun?“ oder: „Kann ich etwas für dich tun?“
Vielleicht begegnet Ihnen in den nächsten Tagen jemand, für den Sie etwas tun können oder der, umgekehrt, etwas für Sie tun kann.

Dann öffnen sich möglicherweise unsere Augen und wir sehen etwas, das wir vorher so nicht gesehen haben.
Und das wäre ein Glück.

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten November!