Frau Susanne Rittscher ist Leiterin eines Gnadenhofs für Nutz- und Haustiere in Osten, einer kleinen Gemeinde im Landkreis Cuxhaven in Niedersachsen. Auf diesem Hof sorgt sie gemeinsam mit freiwilligen HelferInnen für alte, behinderte und unvermittelbare Tiere. So zum Beispiel Pferde, Hunde, Katzen und eine kleine Herde Ouessantschafe. Ich freue mich, dass sich Frau Rittscher, die ich schon seit einigen Jahren persönlich kenne, die Zeit für die Beantwortung der folgenden Fragen genommen hat.
Susanne, was war für dich der Auslöser, der letztendlich zu einem kleinen Paradies für Nutz- und Haustiere führte, die aufgrund ihres hohen Alters oder wegen ihrer Gebrechen von vielen Menschen nur noch als Belastung empfunden würden?
Susanne Rittscher: Wirklich geplant war das alles nicht. Es fing mit einem Ereignis im Frühjahr 2011 an. Auf meiner Gassirunde mit den Hunden traf ich morgens oft einen Pferdezüchter, der mit dem Rad zu seinen Pferden unterwegs war. Wir sprachen immer ein paar Worte. Im Mai 2011 erfuhr ich von der 20-jährigen Zuchtstute Miranda, die ein totes Fohlen zur Welt gebracht hatte. Und das schon das zweite Jahr hintereinander.
Ich hasse seit jeher Ungerechtigkeiten.
Der Züchter wollte sie schlachten lassen, weil sie nur noch Kosten verursachte und kein Geld mehr einbrachte. Mir ging das Schicksal dieser Stute nicht mehr aus dem Kopf. Ich hasse seit jeher Ungerechtigkeiten. Also versuchte ich mit allen Mitteln Mirandas Leben zu retten, obwohl ich die Stute gar nicht kannte und nie viel mit Pferden zu tun hatte.
Wie ich merken sollte, erging es nicht nur Miranda so. Die meisten ausrangierten Zuchtstuten, Sport- und Reitpferde landen am Ende ihrer Karriere beim Schlachter. Sobald sie dem Menschen nicht mehr dienen können oder keinen Profit mehr bringen, werden sie herzlos beim Schlachter abgeladen. Dann bekommt der Besitzer den Schlachtpreis und ein jüngeres, gesundes Tier nimmt den Platz des Vorgängers ein.
Es war nicht leicht ein Pferd zu retten und die Zeit wurde langsam knapp. Mirandas Schlachttermin stand schon fest, sie sollte nur noch etwas Gewicht auf der Weide zulegen, damit der Schlachtpreis höher ausfiel. Ich war verzweifelt und hatte Angst, ihr nicht helfen zu können. Ich bat Gott mir zu helfen. Da fanden sich plötzlich immer mehr Menschen, die helfen wollten.
Eine Dame spendete den Schlachtpreis und ich kaufte dem Züchter die Stute ab. Nun besaß ich ein Pferd und hatte keine Ahnung von der Pferdehaltung. Leider fand ich niemand, der ein altes, unreitbares Pferd aufnehmen wollte. Ich hatte zwar den Platz, eine nicht eingezäunte Weide und einen alten, zerfallenen Pferdestall, aber keine finanziellen Mittel um ein Pferd zu versorgen. Ich sagte zu Gott: „Ich habe keine Ahnung, wie ich das machen soll, aber Miranda braucht Hilfe. Bitte regle du die Einzelheiten für mich!“
Immer mehr Menschen nahmen Anteil an Mirandas Schicksal.
Da kam wieder Hilfe. Es meldeten sich Leute, die beim Einzäunen der Weide halfen und mit mir den alten Stall renovierten. Andere spendeten Hölzer für den Stall, Weidepfähle, Litze und was man alles zum Zaunbau braucht. Immer mehr Menschen nahmen Anteil an Mirandas Schicksal und wollten mein kleines, privates Tierschutzprojekt unterstützen. Sie unterstützen mich bei den Futterkosten, andere schenkten mir Halfter, Führstrick, Decke und was so zur Grundausstattung eines Pferdes gehört. So konnte ich Miranda zu mir nehmen.
Einen Tag nach meinem 50. Geburtstag brachte der Züchter Miranda auf den Hof. Ich stellte sie in die Box und die Stute rastete total aus. Sie hatte Todesangst. So plötzlich von ihrer Herde getrennt, in fremder Umgebung, drehte die Stute vollkommen durch. Nun besaß ich ein Pferd und hatte keine Ahnung von Pferdehaltung. Wie sollte ich das Tier beruhigen? Ich hatte keine Ahnung.
Damit Miranda nicht allein stehen musste, hatte ich bereits ein zweites altes Pferd gefunden, das im südlichen Niedersachsen in einem Reitstall stand. Niemand zahlte mehr die Boxenmiete und so sollte es geschlachtet werden. Der alte Wallach Bachus sollte zum selben Zeitpunkt wie Miranda eintreffen. Leider stand er im Stau und so kam er etwas später an.
Ich sagte zu Gott: „Bitte regle du die Einzelheiten für mich!“
Als Bachus in der Nachbarbox stand, beruhigte sich Miranda. Seine Ruhe brachte die hochgezüchtete, nervöse Stute runter. Anfangs war es nicht leicht für mich. Ich musste mir Mirandas Vertrauen hart erarbeiten und lernen, wie man mit einem Pferd umgeht. Immer wieder bat ich Gott um Hilfe und bekam sie auch. Ich merkte bald, dass ich meine Aufgabe im Leben gefunden hatte.
Nach und nach kamen andere Tiere dazu und so wurde aus meinem kleinen, privaten Tierschutzprojekt ein Gnadenhof für alte und unvermittelbare Haus- und Nutztiere. Ich bin total dankbar für alles. Viele Schwierigkeiten musste ich meistern. Doch es fand sich für jedes Problem eine Lösung. Immer wurde mir ein Weg gezeigt und es öffnete sich wieder eine Tür.
Wie sieht bei dir ein typischer Arbeitstag auf dem Hof aus?
Susanne Rittscher: Ich bin den ganzen Tag mit der Versorgung der Tiere beschäftigt. Morgens um 6.00 Uhr geht es los mit der Fütterung der Pferde, Schafe, Hunde und Katzen. Dann miste ich die Ställe, äppel die Weide ab, putze die Pferde, schrubbe die Tränken, säubere die Futternäpfe, gehe mit den Hunden und beschäftige mich mit ihnen, gebe Futterbestellungen auf, räume die Lieferungen in die Futterkammer, kontrolliere die Zäune, sense die Weide. Es gibt so viel Arbeit auf dem Hof.
Miranda ist mittlerweile 30 Jahre alt und ihre Zähne sind seit dem letzten Winter funktionslos. Sie kann kein Heu mehr kauen und wird nun ausschließlich mit Heucobs gefüttert. Ihr neuer Weidekumpel Herr Nielsson hat eine schwere, chronische Atemwegserkrankung, wegen der er auch mit Heucobs gefüttert werden muss. Dadurch ist der Arbeitsaufwand für mich noch viel größer geworden.
Die Heucobs müssen vor der Fütterung in Wasser eingeweicht werden und einige Zeit quellen. Sie dürfen nur ganz aufgeweicht verfüttert werden, weil es sonst zu einer gefährlichen Schlundverstopfung kommen kann. Die Pferde bekommen im Sommer 3 bis 4 und im Winter mindestens 6 Portionen Heucobs über den Tag verteilt. Wenn ich eine Mahlzeit gefüttert habe, setzte ich die nächsten Heucobs an.
Im Winter bin ich von morgens um 6.00 Uhr bis nachts um 24.00 Uhr damit beschäftigt. Mein Tag ist ganz genau durchplant, sonst wäre das alles gar nicht zu schaffen. Momentan habe ich einen Helfer vor Ort, der mir hilft Zäune, Weidetore usw. zu reparieren. Das kommt dann zu der täglichen Versorgung der Tiere noch dazu. Langweilig wird es hier also nie.
Für unseren leider kürzlich verstorbenen Hund Nacho allein fielen schon etwa 150 EUR im Monat an, um ihn zu füttern und um die Kosten für Tierarzt, Hundesteuer und Tierhaftpflichtversicherung zu tragen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie viele Kosten bei dir monatlich anfallen und noch weniger, wie du das finanziell stemmst. Also: Wie schaffst du das?
Susanne Rittscher: Es tut mir so leid, dass Nacho nicht mehr bei euch ist. Ich kann gut nachvollziehen, wie ihr den kleinen Süßen vermisst. Jedes geliebte Tier hinterlässt eine Lücke in unserem Leben.
Zu deiner Frage: Für unser Tierschutzprojekt fallen enorme Kosten an. Ohne Spenden und Patenschaften könnten wir das gar nicht schaffen. Pferdehaltung ist enorm teuer. Alte und kranke Pferde verursachen noch viel höhere Kosten. Das ist auch ein Grund, weshalb die Leute alte Pferde loswerden wollen. Die Kosten steigen, wenn das Pferd Zahnprobleme bekommt.
Wir müssen im Winter jeden Tag einen Sack Heucobs füttern. Das könnten wir ohne die Hilfe tierlieber Menschen nicht finanzieren. Um das Projekt am Leben zu erhalten, haben wir einen gemeinnützigen Tierschutzverein gegründet. So wurde aus dem privaten Tierschutzprojekt „Hilfe für Miranda“ im Dezember 2015 der eingetragene, gemeinnützige Tierschutzverein „Tierhilfe Miranda e.V.“ Jetzt können wir auch Spendenbescheinigungen ausstellen.
Wie bisher kann sich jeder gern an unserem Tierschutzprojekt beteiligen. So wie er möchte und kann. Wir haben Unterstützer, die sind von Anfang an dabei. Verfolgen kann man unsere Arbeit auf unserem Blog, wo ich regelmäßig über unsere Schützlinge berichte.
Für mich als Christ ist Tierhilfe auch ein Teil des göttlichen Auftrags, diese Erde und alle ihre Bewohner zu behüten. Wie können hilfsbereite Menschen, die keine Geldbeträge überweisen möchten, dich sonst noch unterstützen?
Susanne Rittscher: Ich bin der Meinung, dass alles zusammengehört. Jede Tat hat Auswirkungen auf das Ganze. Tierschutz ist auch Menschenschutz, man kann das nicht trennen. Jeder, der etwas Gutes tut, macht die Welt ein klein bisschen besser. Und jeder kann irgendwie helfen. Man muss nur handeln. Nicht jeder wird gleich ein Pferd retten können, aber man kann ein Projekt unterstützen, das einem gefällt.
Wir freuen uns natürlich auch über jede Hilfe. Wenn jemand kein Geld geben möchte oder kann, hat man die Möglichkeit, uns mit einer Sachspende unter die Arme zu greifen. Wir haben hierfür unseren Amazon Wunschzettel erstellt. Auf dem steht alles gerade dringend Benötigte.
Wer möchte, kann auch gern gute Flohmarktsachen schicken. Die verkaufen wir dann zu Gunsten unserer Tiere.
Wer seine gut erhaltenen Sachen spendet, vermeidet Müll, hilft unseren Tieren und erfreut Menschen, die sich dies neu nicht leisten könnten.
Auch doppeltes oder nicht mehr genutztes Werkzeug können wir gut für dringende Reparatur- und Sanierungsarbeiten gebrauchen. Ein Zaunpfahl hält nicht ewig, Holz rottet und muss erneuert werden. Leider fehlen uns Werkzeuge, Schrauben, Nägel, Krampen, Holz und Maschendraht. Wer diese Dinge vielleicht noch im Keller liegen hat, kann uns gern damit unterstützen.
Wie würdest du den folgenden Satz fortsetzen? “Gebet ist für mich…”
Susanne Rittscher: Gebet ist für mich nicht nur eine Zwiesprache mit Gott oder Gelegenheit zum Danken. Ich finde so auch Ruhe, innere Klarheit und Kraft.
Ich danke für das Gespräch.