Jürgen Hoffmann ist Pfarrer der evangelischen Tersteegen-Kirchengemeinde in Düsseldorf. Ich freue mich, dass ich einen seiner spirituellen Impulse als monatlichen Beitrag für die Rubrik „An(ge)dacht“ verwenden darf.
„Pale Blue Dot“ – Was sich hinter dieser Bezeichnung verbirgt?
Für mich das vielleicht wichtigste und spannendste Foto unserer Erde.
Jeden Tag entstehen Millionen und Abermillionen von Fotos – gemacht hier auf der Erde. Mit Handys, mit Profikameras, von Fotografen und schlichtweg jedem, der gern mal auf einen Auslöser drückt.
„Pale Blue Dot“ ist nicht irgendein Foto. Es ist für mich das (!) Foto von unserer Erde. Was es zeigt? Einen winzigen blasshellen bläulichen Punkt, der sich etwas von seiner blauen Umgebung abhebt.
Würde man es nicht erklärt bekommen, würde man es für missglücktes Bild halten, auf dem nichts zu sehen ist außer einer großen Langeweile in Blau.
„Pale Blue Dot“ wurde aufgenommen aus einer Entfernung von 6.000.000.000 km Entfernung von der Sonde Voyager 1.
Kein Bild wurde auch nur aus einer annähernd so weiten Entfernung mit Blick auf die Erde fotografiert. Der US-amerikanische Astronom Carl Sagan gab die Anregung zu diesem Bild. Nachdem die Sonde Voyager 1 ihre Aufgabe, Jupiter und Saturn zu untersuchen, erfüllt hatte, war klar, dass sie irgendwann auf dem Weg sein würde, unser Sonnensystem zu verlassen.
Carl Sagan schlug vor, Voyager 1 noch einmal zur Erde hin auszurichten. Es gelang und der Welt wurde ein ganz besonderes Bild geschenkt. Das war am 14. Februar 1990. Da war die Sonde Voyager 1 schon 13 Jahre unterwegs. Noch immer fliegt sie mit einer Geschwindigkeit von etwa 1,6 Millionen km pro Tag durchs All und befindet sich heute in einer Entfernung von bald 25 Milliarden km von der Erde.
Neben dem Bild hat Carl Sagan ein weiteres Vermächtnis hinterlassen, seine Gedanken zu „Pale Blue Dot“. Einen leicht gekürzten Auszug seiner Rede können Sie hier unten lesen.
Ich finde, es ist einer der schönsten und wichtigsten Texte über unser Menschensein auf dem kleinen blauen Punkt, den wir Erde nennen und der unsere Heimat ist.
Diesen Monat lade ich Sie ein, die selbstverständlichen Dinge des Lebens einmal „von außen“ zu betrachten.“
Ich wünsche Ihnen einen guten Start in den Februar!
Carl Sagan zu „Pale Blue Dot“ (Rede von 1983):
„Aus dieser großen Entfernung betrachtet, scheint die Erde nicht besonders bedeutsam zu sein. Für uns Menschen ist es jedoch völlig anders. Denken wir doch einmal über diesen »Punkt« nach! Dieser blaue Punkt im All ist »hier«, er ist »zu Hause«, er ist »wir«. Jeder Mensch, den du liebst, den Du kennst, von dem Du jemals gehört hast – jeder Mensch, den es je gegeben hat, lebte hier, auf diesem »Punkt«.
All unsere Freude und unser Leid, tausende von überzeugten Religionen, Ideologien und Wirtschaftstheorien, jeder Jäger und Sammler, jeder Held oder Feigling, jeder Schöpfer oder Zerstörer einer Zivilisation, jeder König oder Bauer, jedes junge Liebespaar, jede Mutter und jeder Vater, jedes hoffnungsvolle Kind, jeder Erfinder und Entdecker, jeder Moralapostel, jeder korrupte Politiker, jeder »Superstar«, jeder »herausragende Herrscher«, jeder Heilige und jeder Sünder in der Geschichte der Menschheit lebte hier – auf einem Staubkorn, erleuchtet von einem Sonnenstrahl.
Denken wir an die endlosen Grausamkeiten, welche die Bewohner einer Region einer anderen Region angetan haben. Wie oft sie sich falsch verstehen! Wie sehr sie darauf aus sind, einander zu töten! Wie leidenschaftlich sie einander hassen! Unser eitles Gehabe, unsere eingebildete »Wichtigkeit«, die Illusion, dass wir im Universum einen besonderen Platz einnehmen – all das wird in Frage gestellt von diesem blassen, blauen Punkt im All.
Unser Planet ist ein einsamer Fleck in der großen kosmischen Dunkelheit. Wir sind unbedeutend in diesem endlosen Weltall. Nach allem, was wir bisher wissen, ist die Erde die einzige Welt, auf der es Leben gibt. In der näheren Zukunft gibt es keinen anderen Ort im Universum, wohin die Menschheit auswandern könnte.
Dieses von weit her aufgenommene Bild unserer winzigen Welt ist vielleicht das beste Beispiel dafür, wie töricht es ist, wenn wir uns einbilden, etwas Besonderes zu sein. Für mich unterstreicht es unsere Verantwortung, freundlicher miteinander umzugehen. Es unterstreicht, dass wir diesen blauen Punkt im All wertschätzen und bewahren müssen. Er ist das einzige Zuhause, das wir kennen.“