Der Mann für schwierige Gebete 

Der Mann für schwierige Gebete

(Rheinische Post vom 6.9.2022)

Achim Beiermann
Betet für andere: Der Gerresheimer Achim Beiermann betreibt eine Internetseite, auf der Menschen ein Gebetsersuchen hinterlassen können. Foto: Bretz, Andreas (abr)

Achim Beiermann aus Düsseldorf-Gerresheim bietet einen ganz besonderen Service an: Er betet für alle, denen es aus unterschiedlichen Gründen selbst schwer fällt. Mehr als 300 Mal wurde er schon beauftragt.

Achim Beiermann betet. Er tut dies regelmäßig, aber nicht für sich, sondern für Andere. Für Menschen, die sich an ihn gewandt haben. Seit November 2020 betreibt der 67-jährige Gerresheimer eine Internetseite, deren Titel schon deutlich macht, was er völlig kostenfrei anbietet. Unter www.ichbetefuerdich.de können Menschen ihn kontaktieren, ihn bitten, an ihrer Stelle ein Gebet zu sprechen. Über 300 Mal hat er das mittlerweile getan.

Wer aber nimmt dieses Angebot wahr? Und warum beten die Menschen nicht selbst? Diese Fragen hat sich auch Achim Beiermann gestellt. Seiner Erfahrung nach sind es Menschen, die sich von der Kirche entfremdet und abgewandt, aber die sich noch ein Stück ihres Glaubens bewahrt haben. Und jetzt suchen sie nach einem Hoffnungszeichen, weil sie sich zumeist in einer existenziellen Notlage befinden.

„Es gab auch schon mal ein Kind, das mich bat, für seine kranke Katze zu beten.“ Das aber ist eine Ausnahme. In den Gebetsanliegen geht es oft um schwere Krankheiten, die man selbst oder Angehörige durchleiden, um Probleme am Arbeitsplatz oder mit dem Ehepartner. Oder um Alkohol – und Drogensucht, von der man hofft, endlich loszukommen.

Er sei da, sagt Beiermann, wenn das Beten schwerfällt. Und er weiß selbst, welche Probleme heute viele mit der katholischen Kirche haben. Er hatte sie auch. Christlich aufgewachsen, katholisch erzogen, wie er sagt, war er Messdiener, Pfadfinder und Leiter in der katholischen Jugend. Doch 2020 trat er zur evangelischen Kirche über.

Mit den Gebetsanliegen macht sich Achim Beiermann dann auf den Weg, in die katholische Basilika St. Margareta in Gerresheim oder in die evangelische Johanneskirche in der Innenstadt. Dort zündet er für jedes Gebetsgesuch eine Kerze an, spricht das Gebet stumm für sich. Zuvor hat Beiermann seine „Auftraggeber“ darüber informiert, wann er das „Gebet in die Hände des Herrn“ legen werde. Wer seine E-Mail-Adresse angegeben hat, erhält später ein Foto der Kerze und den Gebetstext. Aber Achim Beiermann formuliert auch ein Gebet für jene, die ihn lediglich anonym angeschrieben haben.

Die Idee entstand, als Beiermann, der im NRW-Innenministerium im Bereich Öffentlichkeitsarbeit tätig war, in den Ruhestand ging. Zeitgleich schloss damals coronabedingt das Kirchencafé der Johanneskirche, wo er sich ehrenamtlich engagiert. „Ich hatte Zeit und wollte was Sinnvolles tun.“ Anfangs wusste er nicht so recht, was aus der Idee werden sollte.

Zwei, drei Wochen behielt er sie für sich. Dann erzählte er sie seiner Frau, die katholische Religion unterrichtet. Sie fand das Projekt gut, nicht „abgefahren“, wie Beiermann selbst erst dachte. Er nahm ein bisschen Geld in die Hand, um die Seite zu gestalten. Zudem hat er sie rechtlich prüfen lassen, auch um den Ansprüchen des Datenschutzes zu genügen. Am 1. November 2020 ging die Seite www.ichbetefuerdich.de dann online.

Doch der Anfang war schleppend. Beiermann, der auch beruflich viel mit dem Internet zu tun und im IT-Bereich der Landesverwaltung gearbeitet hatte, war klar, dass die Seite im Netz schwer zu finden sein würde. Daher stellte er Interviews, die er geführt hatte, dazu und Predigten zum Thema Beten. Er legte Flyer an verschiedenen Orten aus. Doch der „Durchbruch“ kam, als vermehrt Medien über seine Seite berichteten. Es gab Beiträge im Fernsehen und im Radio. Jetzt war die Seite bekannt – und gefragt. Kam in der ersten Zeit manchmal nur ein Gesuch in der Woche, können es heute schon mal zehn sein.

Beiermann hält nicht nach, wer ihn kontaktiert, schon aus Datenschutzgründen nicht. Es seien Menschen jeden Alters und aus allen gesellschaftlichen Schichten. Aus vielen Anfragen lasse sich große Verzweiflung herauslesen, Ungewissheit und Angst vor der Zukunft. Manche von ihnen hätten so große Probleme, dass er ihnen nahelegt, sich weitere Hilfe zu suchen. Und wieder andere habe er – mit ihrem schriftlichen Einverständnis – auch schon an entsprechende Einrichtungen weitervermittelt.

Einen kritischen oder gar abfälligen Kommentar habe er noch nicht erhalten. Dafür viele Zuschriften von Menschen, die zwar kein Gebet wünschten, aber einfach sagen wollten, wie sehr sie das Angebot begeistere. Für Achim Beiermann ist das Lohn genug.

INFO

Fotos von der Gebetskerze per Mail

  • Unter www.ichbetefuerdich.de bietet Achim Beiermann kostenfrei an, Gebete zu formulieren und zu sprechen. Auch anonyme Anfragen sind möglich.
  • Wer seine persönliche E-Mail-Adresse hinterlässt, erhält ein Foto einer Kerze, die für ihn entzündet wurde, und den Gebetstext.