Der Auftragsbeter

Der Auftragsbeter

(IDEA Das Christliche Spektrum 48.2023 vom 29.11.2023)

Achim Beiermann
Achim Beiermann

Achim Beiermann betet – im Auftrag derjenigen, die selber den Weg in eine Kirche nicht mehr finden, aber etwas auf dem Herzen haben. Um Weltfrieden geht es dabei nur ganz selten. Von Julia Bernhard

Die katholische Basilika Sankt Margareta im Düsseldorfer Stadtteil Gerresheim ist für Achim Beiermann ein besonderer Ort. Er kennt die hohen frühgotischen Spitzbögen, das Knarzen der Bänke und jede einzelne Ecke der Kirche wie seine Westentasche. Seit fünf Jahren hat er dort jeden Dienstag Kirchenwache. Er hält Ordnung und beantwortet Fragen von Besuchern. Seine wichtigste Aufgabe hat er sich aber selbst gegeben: Er betet im Auftrag anderer Menschen für deren Anliegen und zündet eine Kerze für sie an.

Gebete für Abgründe und Nöte
Die Gebetsbedürftigen melden sich über seine Internetseite bei ihm. Dort können sie ihm anonym schreiben, weshalb sie ein Gebet benötigen. Die Anliegen sind sehr persönlich: kranke Angehörige, Familien, die im Streit liegen, Depressionen, Süchte. Manche brauchen einfach ein Gebet für eine gute Klassenarbeit in der Schule. „Um Weltfrieden geht es nur ganz selten“, sagt er. Der 68-Jäh-rige wird mit allen Abgründen und Nöten konfrontiert. Er wirkt, als könne er das gut aushalten.

Beiermann ist ein klarer und strukturierter Mensch: Bis zur Rente war er in der Öffentlichkeitsarbeit des nordrhein-westfälischen Innenministeriums beschäftigt. Und er ist sicher und entschieden: Vor drei Jahren ist der Katholik evangelisch geworden. Der Missbrauchsskandal war der Auslöser, wie bei so vielen, erzählt er. Trotzdem ist Sankt Margareta der richtige Ort für seine Gebete geblieben.

Worte für andere finden
Auch im Urlaub betet Beiermann auf Anfrage Wenn es ganz dringend ist, wartet er auch nicht bis zur nächsten Kirchenwache, sondern betet noch am selben Tag. Die meisten Menschen, die sich an ihn wenden, hätten keinen Bezug zur Kirche. Es falle ihnen schwer, die richtigen Worte zu finden, sagt Beiermann. Er ist der Wortefinder für andere: „Sie schreiben mir dass sie gar nichts mehr glauben, aber dankbar wären, wenn wenigstens ich ein Gebet sprechen könnte.“ In Krisensituationen klammere man sich eben doch daran wie an einen Strohhalm. Beiermann versteht sie. Er war selbst keinesfalls zeit seines Lebens ein Beter vor dem Herrn.

Die Zwiesprache mit Gott wurde für ihn immer wieder wichtig, wenn er sich selbst mit Problemen konfrontiert sah. Im aus gesundheitlichen Gründen vorgezogenen Ruhestand merkte er eines Abends, dass das Beten für andere eine Aufgabe für ihn sein könnte: „Ich fand die Idee erst abgefahren. Meine Frau gar nicht.“ Wie oft er inzwischen seine Hände im Auftrag anderer gefaltet hat, weiß er nicht. Im Schnitt erreichen ihn wöchentlich zwischen fünf und zehn Anfragen. Für Beiermann ist es eine wunderbare Auf-gabe: „Für andere Menschen zu beten, erfüllt mich selbst mit großer Freude“, sagt er zufrieden.