Zum Bestatter berufen

Andreas Düvel

Herr Andreas Düvel ist fachgeprüfter Bestatter und Geschäftsführer des 1916 gegründeten Betriebs “Andreas Düvel Bestattungen” in Düsseldorf. Ihm steht seine Ehefrau Cornelia Düvel als Bestattermeisterin fachkundig zur Seite. Ich freue mich, dass Herr Düvel sich die Zeit für dieses Interview genommen hat.

Herr Düvel, die Firma Appinio GmbH hat im Jahr 2017 knapp 2.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland zu ihren Berufswünschen befragt, um herauszufinden welche Trends es im Zeitalter von YouTube-Stars, Influencern und Fashion-Bloggern gibt. Der Berufswunsch “Bestatter” bzw. “Bestatterin” ist in der inzwischen veröffentlichten Studie nicht unter den TOP 10 zu finden ;-). Wie war das bei Ihnen? Wollten Sie schon als Kind diesen Beruf ergreifen, war es der ausdrückliche Wunsch Ihrer Eltern oder wie kam es dazu?

Andreas Düvel: Wie bei den meisten Kollegen übernehmen oft die Kinder das Geschäft. Bei mir ging es aber auch nicht ohne Umwege.

Blick in die Geschäftsräume
Foto: Andreas Düvel Bestattungen

Nach der kaufmännischen Ausbildung studierte ich erst einmal Betriebswirtschaftslehre (BWL) in Düsseldorf und arbeitete nur aushilfsweise im Bestattungsunternehmen des Vaters. Dann eröffnete mir der Senior ein weites Feld der “Modernisierung” und ich konnte damals mit der Einführung von Informationstechnik, des Ausbaus des Fuhrparks und der Erweiterung der Geschäftsfelder relativ schnell Verantwortung übernehmen und dann die Firma mit allen Konsequenzen im Alter von 29 Jahren übernehmen.

Unser Sohn steht auch in den Startlöchern und hat über ein Studium des Wirtschafts-Ingenieurwesens und ein Jahr Auslandserfahrung den Weg in den elterlichen Betrieb gefunden und setzt auch hier ganz neue Schwerpunkte.

Dass der Beruf des Bestatters nicht im primären Fokus junger Leute steht, hat in erster Linie mit Vorurteilen zu tun.

Dass der Beruf des Bestatters nicht im primären Fokus junger Leute steht, hat in erster Linie mit Vorurteilen zu tun.

Im Grunde ist es eine Mixtur aus einer sehr ausgeprägten sozialen Komponente, anderen Menschen in schwierigen Situationen helfen zu können; wir sind Veranstaltungsmanager, Fuhrunternehmer, Troubleshooter gegenüber Behörden, Administratoren für Abmeldungen von Renten, Steuern usw., Vermittler zwischen Kommunen, Angehörigen und Kirchen, Mediatoren in zerstrittenen Familien und vieles mehr. Da kann auch jeder junge Mensch seinen Platz finden und ein täglich wechselndes spannendes Umfeld erleben. Langweilig wird es beim Bestatter nie.

Ja, und leider sind viele TV-“Dokus” über den Beruf stark verzerrend. In Krimis werden Bestatter oft als tumbe Gestalten dargestellt, die einen Zollstock in der Tasche haben und nur an Profit denken oder gar im Keller eine Hasch-Plantage betreiben. Solche Dinge bleiben haften und bilden Vorurteile.

Wenn Sie auf Ihre inzwischen langjährigen Erfahrungen als Bestatter zurückblicken – Was hat sich im Umgang mit dem Tod im Laufe dieser Zeit verändert?

Andreas Düvel: Es kommt darauf an, wie weit wir zurück gehen.

War es vor 100 Jahren noch üblich, dass das Sterben in der Familie stattfand und der Verstorbene zuhause bis zum Beerdigungstag aufgebahrt wurde, wird das Sterben und Bestatten heute Profis überlassen. Das findet, wenn es gut geht, in palliativen Stationen oder Hospizen statt. Dort haben Angehörige wieder die Möglichkeit, ihre Lieben die letzten Tage zu begleiten.

Wenn es nicht gut geht, findet das instrumentalisiert auf Intensivstationen, noch schlimmer bei Unfällen oder ganz furchtbar alleine zuhause statt, wo erst Tage und Wochen später eine Nachbarin oder ein Nachbar zufällig den Tod bemerkt.

Umso wichtiger ist es, den Angehörigen Zeit und Raum zu geben, sich gebührend zu verabschieden. Dafür halten wir Fachleute, Räume und Zeit bereit.

Gerade in den letzten zwei (Corona-)Jahren ist eine Begleitung der Angehörigen in den “normalen” Krankenhäusern unmöglich oder nur sehr eingeschränkt möglich.

Das klassische Grab mit Pflege wird immer mehr abgelehnt.

Auch stellen wir seit einiger Zeit fest, dass die Wünsche immer individueller werden. Das klassische Grab mit Pflege wird immer mehr abgelehnt. Der Trend geht zu individualisierten Bestattungsformen, sei es nun Begräbniswald oder die Flussbestattung auf dem Rhein. Es werden auch immer neue Formen verwirklicht. Auf dem Rheinschiff werden Getränke und Speisen gereicht, jeder kann seine Texte, Impressionen oder Eindrücke des Verstorbenen mit den andere Trauernden teilen. Es gibt auch Gesellschaften, die selber Instrumente mitbringen und den Abschied musikalisch gestalten. Ebenso wird häufiger schon in Traueranzeigen darum gebeten, beim letzten gemeinsamen Gang auf schwarze Trauerkleidung zu verzichten. Apropos Traueranzeigen: Es ist inzwischen Standard, diese mit einem Farbfoto des Verstorbenen oder mit Urlaubsmotiven als Hintergrund zu gestalten.

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Flussbestattung auf dem Rhein
Foto: Achim Beiermann

Auch das verlangt vom Bestatter immer mehr kreatives Können. So viel an der Stelle noch einmal zu den Anforderungen an den Beruf und der Fehleinschätzung der jungen Leute. Manchmal verlangt es sogar das Können eines Werbegrafikers in einer Agentur, um den Wünschen der Kunden entsprechende Lösungen anbieten zu können.

Eine neue Entwicklung ist im Übrigen das Thema Nachhaltigkeit. Kunden fragen immer öfters Produkte von hiesigen Herstellern nach. Särge werden aus heimischen Hölzern hergestellt (Mahaghoni ist out), oftmals wird auf Lacke verzichtet und auf traditionelle Naturöle als Konservierung gesetzt. Textilien dürfen bei Kremationen ohnehin nur noch aus Naturstoffen gefertigt sein. Deswegen können wir bei dieser Bestattungsform auch kaum eigene Kleidung verwenden.

Eine neue Entwicklung ist das Thema Nachhaltigkeit.

Wir haben diesem Trend auch schon 2017 Rechnung getragen und produzieren unseren Strom selbst auf einem Hallendach aus Photovoltaik und setzen ab Mai auf ein zweites E-Auto, das wir mit unserem eigenen Strom betreiben Der erste E-Smart hat den Weg zu uns schon vor zwei Jahren gefunden.

Das Thema Corona begleitet uns schon mehr als zwei Jahre. Wie hat sich diese Pandemie auf Ihr Bestattungsunternehmen ausgewirkt und wie hat sich die Zahl der an Covid 19 Verstorbenen aus Ihrer Sicht entwickelt?

Andreas Düvel: Fangen wir mit der reinen Statistik an:

In 2021 gab es in Deutschland erstmals mehr als 1 Million Todesfälle und damit ca. 5-6 % mehr Sterbefälle als im Vorjahr. Diese Entwicklung hat unsere Lieferanten, die Standesämter und andere “auf Naht genähte” Nebendarsteller der Branche an den Rand der Leistungsfähigkeit gebracht. Dazu kamen noch Rohstoffknappheit im Bereich des Holzes und des Papiers, was oftmals auch unsere Einsatzfähigkeit gefährdete.

Im ersten Corona-Jahr war es am schlimmsten, den nahezu wöchentlich wechselnden Auflagen wie der Sperrung von Kapellen, die Reduzierung auf maximal zwölf Trauergäste oder dem Verbot von offenen Aufbahrungen gerecht zu werden.

Ruheplatz im Begräbniswald
Foto: Achim Beiermann

Der krasseste Fall war für uns der Sterbefall von Dr. Dr. Burkhard Hirsch, ehemaliger Bundestagsvizepräsident, Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Stadtrat und Landesvorsitzender der FDP, der am 11.3.2020 vor Beginn der Pandemie verstarb.

Es wurden Traueranzeigen in der FAZ, der Süddeutschen Zeitung und der Rheinischen Post geschaltet und Feierstunden im Bundestag, Landtag und im Düsseldorfer Rathaus organisiert – bis der harte Einschnitt kam und die Bestattung nur mit zwölf Personen in Düsseldorf-Heerdt stattfinden konnte; alles andere musste ersatzlos abgesagt werden. Das war für alle Betroffene ein tiefer Einschnitt in die Beerdigungsriten.

Auch in diesen Wochen begleitet uns das Thema Corona-Tote noch intensiv. Das ist immer eine Herausforderung, mit Schutzanzügen, Schutzbrillen und Spezialmasken arbeiten zu müssen. Hoffen wir, dass es nicht zu einer fünften Welle und neuen Mutationen kommt …

Menschen sterben nicht nur im hohen Alter friedlich im Bett, sondern verlieren ihr Leben unter Umständen schon im Kindesalter oder im Zusammenhang mit schweren Unfällen, die sie entsprechend gezeichnet haben. Ich möchte mir in meinen schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen, was Sie und Ihre Mitarbeitenden schon alles sehen und psychisch ertragen mussten. Wie gehen Sie damit um?

Andreas Düvel: Wir sind glücklicherweise nicht Überbringer der katastrophalen Nachricht. Das ist viel schlimmer, bei Eltern zu sitzen und ihnen zu eröffnen, dass deren vielleicht einziges Kind verstorben ist.

Wir haben als Bestatter die Chance, für die Angehörigen einen würdigen Abschied zu ermöglichen.

Natürlich ist es – wie angesprochen – in jeder Hinsicht emotional sehr anstrengend, solche “Härtefälle” hinzubekommen. Es verlangt schon einen gefestigten Charakter und eine Familie, mit der solche Erlebnisse und Eindrücke anschließend aufgearbeitet werden können. Wenn Sie mich mit meiner Frau bei Wind und Wetter auf dem Löricker Deich spazieren gehen sehen, ist es so weit, dass man am Abend das Thema des Tages aufarbeiten und dann auch besser verarbeiten kann. Sozusagen ein familiäres Coaching.

Wie würden Sie den folgenden Satz fortsetzen? “Gebet ist für mich…”

Andreas Düvel: Gebet ist für mich, neue Kraft zu schöpfen.

Ich danke für das Gespräch.

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