Wie kommen wir zum Waffenstillstand?

Dr. Margot Käßmann

Frau Dr. Margot Käßmann ist eine evangelisch-lutherische Theologin. Sie war als Pfarrerin in verschiedenen kirchlichen Leitungsfunktionen tätig; so zum Beispiel als Landesbischöfin der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und als Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Seit Juli 2018 lebt Margot Käßmann im Ruhestand. Sie hat Bücher zu verschiedenen Themen veröffentlicht. Daneben engagiert sie sich in ausgewählten Projekten wie etwa dem internationalen Kinderhilfswerk terre des hommes oder dem sozialen Straßenmagazin Asphalt. Ich freue mich, dass Frau Dr. Margot Käßmann sich die Zeit genommen hat, meine Fragen zu beantworten.

Frau Dr. Käßmann, in Ihrem neuen Buch „Vergebung – Die befreiende Kraft des Neuanfangs“ beschreiben Sie die Kraft des Verzeihens als einzigen Weg, Frieden zu finden, wenn einem Unrecht getan wurde. Für ChristInnen ist der Auftrag zu verzeihen ja eigentlich selbstverständlich. Was tragen Sie in Ihrem Buch dazu bei, den Weg zur Vergebung, der häufig steinig erscheint, zu gehen?

Dr. Margot Käßmann: Zunächst beschreibe ich die vielen Verletzungen, die es gibt: In der Familie, in Paarbeziehungen, aber auch im internationalen Bereich. Mir ist sehr deutlich, dass niemand zur Vergebung gedrängt werden sollte. Aber wo sie gelingt, wird das Opfer frei von eben dieser Opferrolle. Und wo Vergebung gelingt, kann sogar Versöhnung, also ein Neuanfang in der Beziehung möglich werden. 

Wo Vergebung gelingt, kann sogar Versöhnung, also ein Neuanfang in der Beziehung möglich werden. 

Auch in Ihrem Podcast „Was mich bewegt“ geht es Ihnen nicht darum von sich zu sprechen, sondern zu thematisieren, was uns alle bewegt und mit Ihren ZuhörerInnen ins Gespräch zu kommen. Wie sieht dieses „Gespräch“ aus? Was teilen Ihnen Menschen hier als Reaktion auf Ihren Podcast mit?

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Dr. Margot Käßmann: Tobias Glawion und ich haben schon vieles thematisiert, Freundschaft, Erfahrungen mit Schule, aber auch unsere Lieblingsfilme. In den Reaktionen schreiben die Zuhörenden dann von ihren Erfahrungen auf dem Gebiet, das ist ein guter Austausch. Und es kommen immer wieder Anregungen, was wir denn mal aufgreifen sollten. 

Sie haben das „Manifest für den Frieden“ unterschrieben, in dem ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine und sofortige Verhandlungen gefordert werden. An der Demonstration in Berlin haben Sie allerdings nicht teilgenommen. Können Sie Ihren Standpunkt bitte erläutern?

Dr. Margot Käßmann: Ich habe unterschrieben, weil mir wichtig ist, nicht ständig nur über Waffen zu reden, sondern zu fragen, wie es schnellstmöglich zu Waffenstillstand kommen kann. In Berlin habe ich nicht teilgenommen, weil ich schon längst zugesagt hatte, bei den Kundgebungen der Deutschen Friedensgesellschaft am selben Tag in Bonn und Köln zu sprechen. 

Krieg in der Ukraine
Foto: istock/JARAMA

Neben Demonstrationen finden in vielen Gemeinden im Moment wieder Friedensgebete statt. Welche Kraft geht Ihrer Meinung nach von diesen Gebeten aus?

Dr. Margot Käßmann: Beten hat eine eigene Kraft. Wenn mich das Schicksal anderer berührt und ich nichts tun kann, kann ich zumindest für sie beten. Gebete verändern mich selbst, weil ich meine Verantwortung im Gespräch mit Gott reflektiere. Und welche Kraft Gebete entfalten können, haben wir bei den Montagsgebeten in der Leipziger Nikolaikirche in den 80er Jahren erlebt. 

Wie würden Sie den folgenden Satz fortsetzen? “Gebet ist für mich…”

Dr. Margot Käßmann: Gebet ist für mich das tägliche Gespräch mit Gott.

Ich danke für das Gespräch.

Von Dr. Margot Käßmann wurden mehrere Bücher veröffentlicht (Auswahl): 
„Vergebung – Die befreiende Kraft des Neuanfangs“.
Erschienen am 9.9.2022 im bene! Verlag.
„Freundschaft, die uns im Leben trägt.“ 
Erschienen am 1.3.2022 im bene! Verlag.
„Nur Mut! – Die Kraft der Besonnenheit in Zeiten der Krise“. 
Erschienen am 2.6.2022 im bene!-Verlag.

(Hinweis zu dem verwendeten Foto von Dr. Margot Käßmann: Die Bildrechte liegen bei Julia Baumgart Photography.)

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