Ein junger Mann bittet um eine Arbeitsstelle und bekommt sie auch. Das Ehepaar betet beharrlich und bekommt ihr lang ersehntes Kind. – Erhörtes Gebet ist etwas Wunderbares. Wir dürfen uns freuen, wenn Gott unsere Bitten auf konkrete Weise erhört! – Es gibt aber auch jene Gebete, die nicht erhört werden. Zumindest nicht immer so, wie wir es uns wünschen. Ich brauche da keine Beispiele aufzuzählen.
Was Jesus selbst dazu sagt
Wir lesen aber in der Bibel – und es ist Jesus selbst, der uns das sagt:
- „Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet“ (Mt 7,7)
- „Alles, was zwei von euch auf Erden gemeinsam erbitten, werden sie von meinem himmlischen Vater erhalten.“ (Mt 18,19)
- „Alles, um was ihr in meinem Namen bittet, werde ich tun, damit der Vater im Sohn verherrlicht wird.“ (Joh 14,13)
Unsere Erfahrungen sind andere
Woran liegt es, dass unsere Erfahrung oft anders ist? Erhört Gott Gebete einfach nicht? Wie können wir verhindern, dass wir nicht aus Enttäuschung aufhören zu beten, weil wir denken: „Es bringt ja ohnehin nichts!“? – Und: Wären wir wirklich glücklich, wenn Gott alle unsere Bitten erfüllen würde?
Bruce Allmächtig
In der Filmkomödie „Bruce Allmächtig“ wird auf lustige Weise der Frage nachgegangen, was denn passieren würde, wenn Gott alle menschlichen Gebete erhören würde. Ein Mensch, der sich immer wieder bei Gott über die Ungerechtigkeiten in seinem Leben beklagt, darf für ein paar Tage „Gott spielen“.
Anfangs macht ihm das viel Spaß, er vollbringt sogar einige Wunder. So teilt er etwa in einem Restaurant seine Tomatensuppe wie einst Mose das Rote Meer. Dann aber wird er auch mit den vielen Millionen Gebeten der Menschen konfrontiert. Er erhält sie als E‐Mail auf seinen Computer und großzügig wie er ist, tippt er als Antwort ein: „Alle Gebete erhören.“
Das Problem ist nur, dass etwa 100.000 Menschen um einen Sechser im Lotto gebetet hatten. Als ihr Gebet erhört wurde, dauerte ihre Freude nur kurz, denn jeder bekam nur noch wenige Dollar als Gewinn ausbezahlt.
Der Film zeigt auf eine nette Weise, wie egoistisch wir Menschen oft beten, und dass es einfach nicht der Wille Gottes sein kann, alle unsere menschlichen Wünsche zu erfüllen. Aber was können wir von Gott erwarten? Was dürfen wir von ihm im Gebet erhoffen?
Erhört Gott Gebete in der Bibel?
Haben Sie gemerkt, dass die Bibel öfter von Menschen erzählt, die gebetet hatten und Gott sie nicht erhörte bzw. sie nicht sofort erhörte? Und haben Sie schon einmal über die Lebensläufe von diesen Menschen nachgedacht?
Schon die Bibel zeigt uns mit aller Deutlichkeit: Niemand von uns muss sich mit dem Thema „Erhört Gott Gebete?“ allein fühlen. Um nur einige Beispiele in Erinnerung zu rufen. Es ist anzunehmen, dass Joseph um Befreiung aus der Zisterne und aus der Gewalt seiner Brüder gebeten hat. Trotzdem wurde er verkauft und versklavt.
Wie lange musste ein Abraham warten, bis Gott seine Verheißung an ihm erfüllt hat: Jahrzehnte dauerte es, bis der Sohn Isaak kam! Er und Sara waren längst greise Leute. Und als der ersehnte Sohn da war, da sollte er ihn auch noch opfern – seinen einzigen Sohn! Wie viele Rückschläge, wie viele Enttäuschungen musste Abraham durchmachen. Aber es heißt: „Abraham glaubte!“ (Gen 15,6)
Der König David betet und fastet, damit sein Sohn am Leben bleibt. Doch sein Sohn stirbt. (2 Sam 12,16ff).
Und Paulus wird von seinem körperlichen Leiden nicht geheilt, obwohl er mehrfach um Heilung zu Gott rief (2 Kor 12,8).
Es gibt noch viel mehr Menschen in der Bibel, deren Gebet nicht erfüllt wurde – auf jeden Fall nicht so, wie sie sich das vorgestellt hatten. Gleichzeitig sehen wir, dass kaum ein Thema in den Evangelien so zentral ist, wie der Aufruf zu beharrlichem und inständigem Gebet. Wie sollen wir das also verstehen? Erhört Gott Gebete doch?
Gott hört unsere Gebete
Aus den Lebensgeschichten der betenden Menschen der Bibel sowie aus den Aussagen Jesu über das Gebet können wir uns Eines sicher sein: Gott hört unser Beten! Ja, Gott hört jedes Gebet! – Erinnern wir uns nur an Jesu Worte: „Wenn du betest, geh in deine Kammer und schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten“ (Mt 6,6).
Gott sieht und hört das Gebet im Verborgenen. Der Betende darf also wissen, dass er nicht ins Leere hineinspricht, sondern von Gott gehört wird! – In gewisser Weise ist das bereits das größte Wunder! Ich spreche viel lieber von „unerfüllten“ Gebeten und nicht von „unerhörten“. Gott hört jedes Gebet, er erfüllt aber nicht jedes Gebet.
Warum erfüllt Gott nicht jedes Gebet?
Das wissen wir nicht und meistens entdecken wir den Sinn der Nicht-Erfüllung erst viel später. Gott selber sagt: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine Wege … So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch erhaben sind meine Wege über eure Wege und meine Gedanken über eure Gedanken“ (Jes 55,8f).
Gott weiß besser als wir, was gut für uns ist. Viele unsere Wünsche sind zweifelhaft und kurzsichtig. Darum kann auch die Nicht-Erfüllung eines Wunsches eine Erhörung sein, Ausdruck einer Sorge, die die menschliche Perspektive übersteigt. – Keiner von uns würde einem Kleinkind ein scharfes Messer oder ein Feuerzeug in die Hände geben – auch wenn es noch so sehr darum bettelt und weint …
Vielleicht haben wir für eine bestimmte Arbeitsstelle gebetet und diese nicht erhalten. Wieso trauen wir es Gott nicht zu, dass er besser weiß, was für uns gut ist? Es könnte ja sein, dass diese Arbeit mich zu sehr belastet hätte oder Gott mich vor falschem Stolz auf meine Karriere bewahren wollte. – Manchmal gibt es Erfahrungen, da weiß man erst zehn Jahre später: Es war gut so!
Wenn ich das hier so schreibe, dann tue ich dies nicht als ein Experte, als Fachmann, der genau weiß, wie man das macht. Auch ich bete. Doch mir fällt es ebenso sehr schwer, die Nicht-Erfüllung mancher Gebete zu begreifen. Wenn ich aber die Nicht-Erfüllung mancher Gebete der Menschen der Bibel, aber auch der Menschen von heute betrachte, dann sehe ich grundsätzlich drei Gründe, warum Gott unsere Gebete nicht bzw. nicht sofort erfüllt.
Drei mögliche Gründe für die Nicht-Erfüllung
Der erste Grund: Manchmal denken wir, die beste Lösung zu kennen und wir beten dementsprechend. Doch Gott hat einen besseren Plan. Das liegt daran, dass er einen viel größeren Überblick über mein Leben und die Welt hat (vgl. Jes 55,9). Er ist immer noch der Schöpfer und ich sein Geschöpf – das ist die richtige Sichtweise. Daher kann eine Wendung in meinem Leben die beste Lösung sein, auch wenn ich das nicht so sehe. – Ich kann Gott trotzdem vertrauen, dass er es gut mit mir meint.
Deshalb kann ich auch darauf vertrauen, dass seine Art, mein Leben zu gestalten, das Beste für mich ist – selbst dann, wenn dies Leid beinhaltet.
Der zweite Grund: Die Zeit, die ich für die richtige halte, ist manchmal nicht die Zeit, die Gott für die richtige hält. Auch hier wird deutlich, dass Gott in seiner Allwissenheit einfach einen unendlich größeren Vorsprung an Wissen hat und dementsprechend die Dinge anders sieht. Das sind dann die Zeiten, in denen Gott nicht zu handeln scheint und er sich verborgen hält (Ps 10,1; 13,2; 44,25). – Diese Zeiten, in denen Gott sich zurückhält, sind also auch normal. Es ist einfach noch nicht seine Zeit.
Es kann kürzere oder längere Zeiten zwischen einem Gebet und dessen Erfüllung geben. Dass Gott es dennoch gut meint und zum wirklich richtigen Zeitpunkt handelt, macht die Bibel immer wieder deutlich (vgl. z.B. Gal 4,4).
Und der dritte Grund: Es kann auch sein, dass Gott meinen Glauben auf die Probe stellen möchte. Denn unbeantwortetes Gebet kann den Glauben schnell durcheinander bringen. Ich überlege sofort, was ich wohl falsch gemacht habe. Oder ich bin schnell versucht, den Zusagen Gottes kein Vertrauen mehr zu schenken. Doch möchte Gott eigentlich mein Vertrauen stärken und mir nach solch einer Zeit der Prüfung um so mehr deutlich machen, dass auf ihn Verlass ist! (vgl. Jak 1,2-‐4).
Jesus betete in seiner dunkelsten Stunde
Abschließend möchte ich Sie einladen, dass wir das wohl eindrucksvollste nicht-erfüllte Gebet anschauen und kurz betrachten. Wer hat dieses Gebet gebetet? – Jesus Christus selbst! „Abba, Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir!“ (Mk 14,36)
So betete Jesus in seiner dunkelsten Stunde. Der Sohn Gottes befindet sich im seelischen und körperlichen Ausnahmezustand. Er stolpert durch die Dunkelheit, von erdrückender Einsamkeit und panischer Angst heimgesucht. Er fleht um Hilfe, um einen anderen Ausweg.
Seine Bitte wird nicht erfüllt
Seine Bitte wird nicht erfüllt. Gott hört aber sein Gebet! Es werden Engel gesandt, die ihm Kraft spenden, um die letzte Etappe dieser zermürbenden Reise zu überstehen. Bis Judas mit der römischen Garde und der jüdischen geistlichen Elite heraneilt, finden wir einen gefassten Jesus, der die Situation und sich selber wieder im Griff hat. Gott sei Dank!
Denn nichts Geringeres als unser Heil stand in diesen entscheidenden Augenblicken auf dem Spiel! Das Flehen, das auf taube Ohren zu fallen scheint – diese Gebete haben es in sich! Manche Theologen sprechen sogar vom Segen des unerfüllten Gebets! Erhörtes Gebet bewirkt Dank, Freude und Lobpreis. Unerhörtes bzw. unerfülltes Gebet bewirkt Christusähnlichkeit und lehrt mich, auf Gott selber zu setzen, nicht auf seine Taten! Unerfüllte Gebete formen, ja meißeln unsere Herzen nach dem Herzen Jesu: einem Herzen, das Gott ganz und gar vertraut – ohne wenn und aber!
(Text mit freundlicher Genehmigung von Pater Janusz Turek)








