
Verzeihen – das klingt so leicht. Ein Wort, ein Gedanke. Und doch: Wer wirklich verletzt wurde, wer tiefe Wunden im Herzen trägt, weiß, wie schwer es ist, zu vergeben. Manchmal wird das eigene Leben durch einen Streit, ein böses Wort oder eine schwere Kränkung aus der Bahn geworfen. Und oft bleibt der Schmerz lange, während der Wunsch nach Gerechtigkeit, vielleicht sogar nach Vergeltung, Raum in uns einnimmt.
Doch Verzeihen ist keine Schwäche. Verzeihen bedeutet nicht, Unrecht gutzuheißen oder es kleinzureden. Verzeihen heißt, sich zu befreien – von der Last, die das Geschehene auf die eigene Seele legt.
Warum ist Verzeihen so schwer?
Weil wir Menschen sind. Mit Gefühlen, mit Stolz, mit einem Bedürfnis nach Anerkennung und Gerechtigkeit. Wer verletzt wurde, hat das Recht, Schmerz zu empfinden. Und manchmal braucht es Zeit, bis dieser Schmerz nachlässt. Es ist daher völlig in Ordnung, wenn der Weg zum Verzeihen nicht sofort gelingt. Niemand kann von uns verlangen, Kränkungen einfach abzutun. Der erste Schritt ist oft, den Schmerz überhaupt wahrzunehmen und anzunehmen.
Doch dann steht irgendwann die Frage im Raum: Will ich mit diesem Schmerz leben? Oder will ich mich davon lösen?
Verzeihen heißt nicht vergessen
Manchmal hört man den Satz: „Vergeben heißt vergessen.“ Doch das stimmt nicht. Das, was uns tief getroffen hat, wird Teil unserer Geschichte bleiben. Es wird nicht ausgelöscht. Aber Verzeihen bedeutet: Ich entscheide mich, das Geschehene nicht länger wie einen Stein mit mir herumzutragen. Ich entscheide mich, loszulassen. Nicht, weil das, was passiert ist, unwichtig wäre – sondern weil mein Herz frei werden soll.
Jesus selbst spricht oft vom Vergeben. Im Vaterunser beten wir: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ (Matthäus 6,12) Es ist ein gegenseitiges Geschehen: Wir empfangen Vergebung von Gott – und wir geben sie weiter. Nicht aus Pflicht, sondern weil wir wissen: Auch wir brauchen Verzeihung.
Der Glaube als Hilfe zum Verzeihen
Gott weiß, wie schwer uns das Vergeben fällt. Deshalb lässt er uns damit nicht allein. Er gibt uns Kraft – in der Stille des Gebets, im Nachdenken über sein Wort, im Vertrauen darauf, dass er auch unsere inneren Wunden heilen kann. Wer betet: „Herr, hilf mir zu vergeben“, der macht sich auf den Weg. Und dieser Weg kann lang sein. Manchmal führt er über kleine Schritte: ein freundliches Wort, ein erster Gruß, ein Gedanke des Friedens.
Vielleicht spürst du nicht sofort, dass du vergeben kannst. Aber wenn der Wunsch da ist, wird Gott ihn stärken. Und manchmal schenkt er den Moment, in dem das Herz plötzlich leichter wird – und Verzeihen möglich wird.
Verzeihen befreit – vor allem uns selbst
Es gibt eine Redewendung, die viel Wahrheit enthält: „Nicht zu vergeben ist wie Gift zu trinken und zu hoffen, dass die andere Person stirbt.“ Wer den Groll festhält, schadet sich selbst. Verzeihen aber macht frei. Es nimmt die Bitterkeit und gibt Raum für Frieden, auch im eigenen Herzen.
Das gilt auch dann, wenn der andere den Schritt nicht erwidert. Verzeihen braucht nicht immer die Versöhnung mit dem anderen Menschen. Verzeihen ist vor allem ein Geschenk an uns selbst. Es bedeutet: Ich lasse los, was mich belastet, und ich vertraue Gott das an, was ich selbst nicht heilen kann.
Eine Einladung zum ersten Schritt
Vielleicht gibt es in deinem Leben jemanden, dem du vergeben möchtest – oder jemanden, bei dem du um Verzeihung bitten willst. Vielleicht ist es ein alter Streit, eine lange zurückliegende Verletzung. Wage einen ersten Schritt. Es muss nicht groß sein. Ein Gedanke. Ein Gebet. Ein stiller Wunsch. Gott wird mit dir gehen auf diesem Weg.
Denn Verzeihen ist ein Weg der Liebe. Ein Weg, der Frieden bringt. Für uns selbst, aber auch für die Welt.
Hinweis: Wenn du jemandem verzeihen möchtest, es dir aber unendlich schwer fällt, den ersten Schritt zu gehen, dann versuche es vielleicht mit diesem Beitrag, indem du ihn an die betroffene Person weiterleitest! Dann hast du den ersten Schritt getan!