
Open Doors setzt sich als überkonfessionelles christliches Hilfswerk für verfolgte Christen in mehr als 70 Ländern ein. Zu den Projekten des Dienstes zählen beispielsweise Hilfe zur Selbsthilfe, Ausbildung von christlichen Leitern, Trauma-Arbeit oder die Bereitstellung von Bibeln und christlicher Literatur. Ich freue mich, dass sich Markus Rode, Leiter des deutschen Zweiges von Open Doors, Zeit zur Beantwortung meiner Fragen genommen hat.
Der sogenannte Weltverfolgungsindex ist ein jährlicher Bericht darüber, wo und wie Christen die stärkste Verfolgung und Diskriminierung erleben. Wie ermittelt Open Doors diesen Index und welche Kriterien spielen dabei eine Rolle?
Markus Rode: Für die Erstellung des Weltverfolgungsindex kann Open Doors auf ein Netzwerk von langjährigen Kontakten zurückgreifen, die in vielen Ländern Informationen aus erster Hand liefern. Darüber hinaus beantworten Forscher und Analysten von Open Doors sowie Länderexperten einen differenzierten Fragenkatalog. Diese Informationen werden ergänzt durch öffentlich verfügbare Daten und Meldungen. Externe Wissenschaftler überprüfen zusätzlich den Entstehungsprozess des Weltverfolgungsindex. Der Druck auf Christen wird in fünf Lebensbereichen untersucht, der Bereich Gewalt wird separat gewertet.
Weitere Details dazu sind über unsere Website (www.opendoors.de/wvi-methodik) abrufbar.
In welchen Ländern ist die Verfolgung von Christen derzeit am stärksten ausgeprägt?
Markus Rode: Nordkorea führt seit vielen Jahren fast ununterbrochen die Liste der Länder an, in denen Christen am härtesten verfolgt werden. Im aktuellen Index folgen darauf Somalia, Jemen, Libyen, Sudan, Eritrea, Nigeria, Pakistan, Iran und Afghanistan.

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Welche Formen der Verfolgung erleben Christen in verschiedenen Regionen der Welt?
Markus Rode: In vielen Ländern des Weltverfolgungsindex bilden Christen eine Minderheit. Wegen ihres Glaubens gelten sie als Menschen zweiter Klasse und werden in alltäglichen Situationen diskriminiert und verfolgt, angefangen in der eigenen Familie, aber auch im öffentlichen Leben, in der Schule und im Beruf. Darüber hinaus kommt es oft auch zu verbalen oder tätlichen Übergriffen. Jedes Jahr werden Tausende Christen getötet – die Dunkelziffer nicht eingerechnet. Die Verfolgung geht teilweise vom Staat aus, oft jedoch auch vom direkten Umfeld. Für die betroffenen Christen ist die Verfolgung durch die Menschen, die ihnen am nächsten stehen, besonders schmerzhaft.
In welcher Form kann Open Doors Christen, die verfolgt werden, konkret unterstützen?
Markus Rode: Zunächst das Wichtigste: Open Doors versteht sich als Brücke. Wir bringen die verschiedenen Teile der weltweiten Gemeinde Jesu zusammen. Als Christen sind wir eine Familie, in der wir miteinander leiden und uns zusammen freuen. Unsere zahlreichen Projekte sind ein Ausdruck davon. So gesehen sind nicht wir von Open Doors es, die helfen, sondern all die Christen, die unsere Arbeit durch ihre Gebete und ihre Unterstützung möglich machen.
Aufgrund der vielen Länder, in denen wir tätig sind, und der sehr unterschiedlichen Situationen vor Ort variiert unsere Hilfe stark von Land zu Land. Die großen Bereiche unserer Hilfe sind Bibel- und Literaturverteilung, Nothilfe und Hilfe zur Selbsthilfe, biblische Schulungen, Beistand und Ermutigung sowie der „Sprachrohrdienst“ – das ist der Teil unserer Arbeit, durch den wir Christen in der „freien Welt“ auf ihre verfolgten Glaubensgeschwister aufmerksam machen und sie aufrufen, durch Gebet und Unterstützung mitzuhelfen.
Entscheidend ist, dass all diese Bereiche aus den Bitten verfolgter Christen entstanden sind – denn einer unserer sieben Kernwerte lautet: „Unser Dienst wird von der verfolgten Kirche bestimmt“. Ihre wichtigste Bitte an uns ist tatsächlich die Bitte um unser Gebet.
Wie wird Open Doors zufolge die Christenverfolgung weltweit in der Zukunft aussehen und welche Entwicklungen sind besonders besorgniserregend?
Markus Rode: Wir beobachten seit Jahren eine Reihe beunruhigender Entwicklungen. Eine davon ist die Zunahme an Gewalt, insbesondere in den Ländern Afrikas südlich der Sahara und in Zentralasien. Eine weitere Entwicklung ist die Zunahme autoritärer Herrschaftsstrukturen, häufig verbunden mit religiösem Nationalismus. Beispiele dafür gibt es auf der ganzen Welt, etwa in Indien oder Myanmar, in der Türkei und dem Iran, aber auch in Eritrea und Nicaragua.
Ein Drittes ist die Verdrängung der Christen aus dem öffentlichen Raum – auch durch den Einsatz immer ausgefeilterer Überwachungstechnologien. Diese Technik ist besonders stark in China verbreitet, aber auch im benachbarten Nordkorea. In Algerien und dem Iran sind in den letzten Jahren zahlreiche Kirchen geschlossen worden, in Afghanistan sind die wenigen verbliebenen Christen wegen der Taliban in den Untergrund abgetaucht.

Wichtig ist aber auch, dass Jesus gesagt hat: Mir ist alle Macht gegeben, sowohl im Himmel als auch auf der Erde. Unser Dienst kann nur existieren im Vertrauen darauf, dass Jesus selbst seine Gemeinde baut und durchträgt, während wir ihn im Gebet um Hilfe bitten – und das dürfen wir auch erleben.
Wie würden Sie den folgenden Satz fortsetzen? “Gebet ist für mich …”
Markus Rode: Gebet ist für mich ein Ausdruck meines Vertrauens zu Gott. Er ist ja ein liebender Gott, und Liebe ist eine Beziehungssache. Weil Gott uns aus Liebe geschaffen hat, ist er daran interessiert, was wir zu sagen haben. Wenn ein liebender Gott ein Ziel mit dieser Welt hat, dann muss es für ihn das Größte sein, wenn seine Geschöpfe sich ihm zuwenden und von ihm erwarten, dass sie wie Kinder kommen dürfen.
Gott wird hören und er wird handeln. Vielleicht nicht immer so, wie wir gebetet haben, aber immer in unserem Sinne.
Mit dieser Zuversicht stellen wir auch das Gebet in den Mittelpunkt unserer Hilfe für verfolgte Christen. Ihre erste Bitte an uns lautet: „Bitte betet für uns!“ Wir sollten erwarten, dass Jesus unseren gemeinsamen Einsatz multipliziert und weit mehr an uns und unseren verfolgten Geschwistern tun kann als wir jemals von ihm erbitten oder uns auch nur ausdenken können. So mächtig ist die Kraft, mit der er durch uns wirkt (vgl. Epheser 3,20).
Das Schönste, das wir immer wieder von verfolgten Christen hören, ist: „Danke, dass ihr für uns gebetet habt!“ Sie spüren unsere Gebete und berichten, wie Jesus darauf geantwortet hat. Das ist für mich eine große Motivation, noch mehr zu beten.