„Ohne meine Zweifel glaub ich gar nichts“

Katrin Faludi

Katrin Faludi arbeitet als Radiojournalistin, Sprecherin und Autorin. Sie hat unter anderem das Buch „Ohne meinen Zweifel glaub ich gar nichts: Meine Reise zu einem tieferen und befreiten Glauben“ geschrieben, das am 11. Februar 2020 im Verlag Gerth Medien erscheinen ist. 

Ich freue mich, dass Frau Faludi sich die Zeit genommen hat, meine Fragen zu beantworten.

Frau Faludi, Was hat Sie dazu inspiriert, dieses Buch zu schreiben, und was können die Leserinnen und Leser Ihres Erachtens daraus mitnehmen?

Katrin Faludi: Vor einigen Jahren habe ich auf ERF – Der Sinnsender den Artikel „Ich kann nicht glauben! Wie ist das, wenn es einfach nicht möglich ist, an Gott zu glauben?“ veröffentlicht, in dem ich davon erzähle, wie schwer es mir lange Zeit gefallen ist, zu glauben. Als ehemalige Atheistin hatte ich starke Zweifel an der Existenz Gottes und wollte ihn gerne so erleben, wie es mir viele begeisterte Christen aus ihrem Leben geschildert haben.

Für mich hat der Glaube nie so „funktioniert“ wie für viele meiner Mitchristen.

Aber diese Gewissheit wollte sich nicht bei mir einstellen, obwohl ich brav all das ausprobierte, was man mir riet, um Gott näher zu kommen. Das hat mich enorm frustriert. Für mich hat der Glaube nie so „funktioniert“ wie für viele meiner Mitchristen. Sprach ich über diese Zweifel, war die Reaktion darauf entweder Unverständnis oder Hilflosigkeit – als wäre Zweifel ein Tabuthema. Das fand ich verletzend und ärgerlich, denn es suggeriert, dass es allein meine Schuld sei, wenn es mit dem Glauben nicht so klappt, wie es „sein sollte“.

Lange, nachdem ich viele dieser Zweifel für mich klären konnte, sprach ich in meinem Hauskreis darüber. Auf dem Heimweg holte mich eine der Frauen ein und bedankte sich für meine Offenheit. Sie habe immer das Gefühl gehabt, unter Christen nicht über ihre Zweifel sprechen zu dürfen und es habe ihr Mut gemacht, dass ich dieses gefühlte Tabu gebrochen habe.

Meine Erfahrung ist inzwischen, dass fast immer jemand „hinterm Busch hervorkommt“, wenn man das Thema anspricht. Viele teilen diese Erfahrung, schämen sich aber, darüber zu sprechen. Aus diesem Grund schrieb ich diesen Artikel. Ich erhielt darauf eine überraschend große Resonanz. Auch mein Verlag wurde darauf aufmerksam und fragte an, ob ich einen Beitrag zu dem Thema für ein Buch schreiben könne.

Taufstelle Jesu am Jordan
Taufstelle Jesu am Jordan
Foto: Imma Beiermann

Während ich an dem Beitrag arbeitete und meinen Glaubensweg dabei Revue passieren ließ, kam mir der Gedanke, dass das Thema ein eigenes Buch wert sei. Der Verlag ließ sich darauf ein – und so entstand „Ohne meinen Zweifel glaub ich gar nichts“. Mit diesem Buch möchte ich nicht nur Zweifelnden Mut machen, ihre Vorbehalte ernst zu nehmen und die Motive darin zu erkennen. Ich möchte damit zugleich auch helfen, Zweifelnde zu verstehen und deren oft quälende Fragen nicht abzutun. Heute bin ich überzeugt, dass ein gesunder und reifer Glaube Zweifelphasen braucht, um sich zu entwickeln und kraftvoll zu werden.

Zweifel sind der „Motor des Glaubens“

Wie hat sich Ihr Glaube verändert oder vertieft, seit Sie begonnen haben, Ihre Zweifel zu hinterfragen?

Katrin Faludi: Ich nenne Zweifel heute gerne den „Motor des Glaubens“. Glaube ist für mich immer ein Weg, nie ein Standpunkt, und Zweifel sind die Fragen, die mich auf diesem Weg voranbringen. Sie halten den Glauben lebendig und genau deshalb sind sie so wichtig. Ein Glaube, der stagniert und ängstlich auf seinem Punkt beharrt, bringt mich nicht voran, sondern begrenzt meinen Horizont. 

Wenn ich zweifle, dann lautet die Frage dahinter: „Ist das wahr?“. Diese Frage ist bei Gott immer erlaubt. Zweifel sind deshalb nichts Verwerfliches und nichts, was mich zwangsläufig von Gott entfernt – im Gegenteil. Das Fragen und Ringen bringt mich ihm näher.

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Jeder Zweifel hat ein Motiv. Wenn ich mich frage, woher dieser Zweifel kommt und was ihn nährt, dann kann ich viel über meine eigenen Einstellungen, Denkmuster und Prägungen aus der Vergangenheit erfahren. Deshalb lohnt es sich, seinen Zweifeln zuzuhören. Sie erzählen uns Wertvolles über uns selbst.

Seit ich die Motive meiner Zweifel erkannt habe, kann ich die Fragen besser annehmen und stehenlassen. Viele Zweifel begleiten mich auf meiner Wegstrecke im Glauben. Inzwischen habe ich gelernt, geduldig damit zu sein, weil es oft viel Zeit braucht, bis sich manche Fragen für mich lösen. Dann habe ich etwas Neues gelernt und mein Glaube geht gestärkt daraus hervor.

In Ihrem Buch sprechen Sie über eine persönliche Reise. Können Sie uns mehr darüber erzählen, welche Herausforderungen Sie auf dieser spirituellen Reise erlebt haben?

Katrin Faludi: Die größte Herausforderung war für mich der intellektuelle Spagat. Manchmal hatte ich unter Christen das Gefühl, man verlangt von mir, mein rationales Denken auszuschalten und blind zu glauben, was man mir da erzählt. Dagegen habe ich mich immer gewehrt.

Denken, Zweifeln und Glauben empfinde ich als Dreiklang, der zusammengehört.

Im Laufe meiner Reise, die auch eine Reife war, habe ich gelernt, Denken, Zweifeln und Glauben als Dreiklang zu erfassen, der zusammengehört. Gott hat mir meinen Verstand nicht gegeben, damit ich ihn auf Aufforderung seiner Geschöpfe in die Ecke stelle. Seitdem glaube ich entspannter und habe nicht mehr so sehr das Gefühl, mich verstellen zu müssen.

Im Laufe der Auseinandersetzung bin ich zur Überzeugung gelangt, dass Gott meine Zweifel schätzt und mir manche Fragen sogar absichtlich in den Weg stellt, damit ich daran wachsen kann. In dem Zusammenhang ist mir die Emmaus-Geschichte in Lukas 24 wichtig geworden, in der Gott aktiv verhindert, dass die beiden Jünger ihren Begleiter als Jesus erkennen.

Der Garten Gethsemane
Der Garten Gethsemane
Foto: Imma Beiermann

Daraus habe ich gelernt, dass es nicht immer meine Schuld ist, wenn ich Gott nicht auf Anhieb erkenne, sondern dass er damit ein bestimmtes Ziel verfolgt. Spannend, oder? Und seit ich begriffen habe, dass ich Wahrheit nie besitzen kann, sondern mich ihr nur annähern, ist auch das Gefühl verschwunden, nicht „gut genug“ zu glauben. 

Was würden Sie Menschen raten, die in ihrem Glauben feststecken und Angst vor dem Zweifeln haben?

Katrin Faludi: Zweifel verschwinden nicht, wenn ich sie unterdrücke. Sie werden nur schlimmer. Dann bringen sie mich entweder komplett vom Glauben weg oder sie machen mich stur und engstirnig. So schwierig es auch sein mag, ich rate immer dazu: Nimm deine Zweifel ernst, sie haben es verdient!

In jedem Zweifel steckt ein Schmerz, der nach Linderung verlangt. Entdecke also das Gefühl hinter dem Zweifel und was es dir über dich mitteilt. Auf diese Weise wirft dich ein Zweifel im Glauben nicht zurück, sondern bringt dich voran. Sie sind eine wertvolle Ressource für einen reifen, erwachsenen Glauben, der Erschütterungen aushält.

Wie würden Sie den folgenden Satz fortsetzen? “Gebet ist für mich …”

Katrin Faludi: Gebet ist für mich ein etwas altmodisches Wort für den gegenseitigen Kommunikationsfluss mit dem Mastermind des Universums.

Ich danke für das Gespräch.

(Hinweis zu dem verwendeten Foto von Katrin Faludi: Die Bildrechte liegen bei Katrin Faludi.)

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