
Das Urteil des Kölner Landgerichts, mit dem die Klage einer Missbrauchsbetroffenen gegen das Erzbistum Köln auf Schmerzensgeld abgewiesen wurde, fühlt sich an wie ein Schlag ins Gesicht für die heute 58jährige Frau, die als Kind jahrelang von einem Priester missbraucht wurde – eben jenem Mann, der sie als Pflegevater aufgenommen hatte. Die rechtliche Begründung lautet, dass der Täter im „Privaten“ gehandelt habe, weshalb das Erzbistum nicht haftbar sei. Was rein rechtlich vielleicht richtig erscheint, erweist sich bei genauerer Betrachtung als Hohn für alle Opfer sexueller Gewalt im kirchlichen Zusammenhang.
Die Betroffenenintiative Eckiger Tisch
Die Betroffeneninitiative Eckiger Tisch hat dieses Urteil daher zu Recht als „Schande“ bezeichnet. Denn es verfestigt eine gefährliche Vorstellung: Die Kirche kann sich ihrer Verantwortung entziehen, indem sie zwischen dem Priesteramt und dem angeblich rein privaten Verhalten eines Geistlichen unterscheidet. Diese künstliche Trennung wirkt wie eine Schutzwand – nicht für die Opfer, sondern für die Institution Kirche selbst. Die Tatsache, dass der Mann Priester war, dass er das mit diesem Amt verbundene Vertrauen genoss und dass er aus einer Position moralischer Autorität handelte – all das soll plötzlich keine Rolle mehr spielen? Es ist schwer, darin etwas anderes zu sehen als eine institutionelle Entlastung auf Kosten eines Opfers.
Besonders erschütternd ist, wie das Gericht die Verantwortung des Erzbistums mit dem Argument ablehnt, es habe keine Hinweise auf den Missbrauch gegeben. Doch gerade in den vergangenen Jahren haben zahlreiche Studien und Aufarbeitungsberichte gezeigt, wie oft es in der Vergangenheit an Sensibilität, Aufmerksamkeit und vor allem an Konsequenzen mangelte. Schweigen, Ignorieren, das Verdrängen von Warnsignalen – all dies war Teil eines kirchlichen Systems, das Missbrauch ermöglichte.
Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller bringt es auf den Punkt: Ein Priester lebt seine Berufung nicht nur am Altar, sondern zu jeder Zeit. Die Vorstellung, dass es einen „privaten Raum“ gibt, in dem Priester völlig unabhängig von ihrer Amtspflicht handeln, widerspricht dem Wesen des Priesteramtes. Wenn das Erzbistum argumentiert, der Täter habe als Pflegevater und nicht als Priester gehandelt, so negiert es die untrennbare Verbindung von Amt und Person. Die Kirche kann sich nicht mit moralischer Autorität schmücken – und sie bei Rechtsfragen plötzlich ablegen.
Folge des Urteils
Was dieses Urteil für die Betroffenen bedeutet, ist zutiefst beunruhigend. Es sendet die Botschaft: Wenn du von einem Geistlichen missbraucht wurdest, kann es sein, dass du am Ende allein dastehst – rechtlich, institutionell, vielleicht sogar gesellschaftlich. Es ist ein Hohn für das Opfer und alle, die auf Gerechtigkeit hoffen. Es ist ein Urteil, das juristisch vermutlich Bestand hat, moralisch aber die Würde der Betroffenen missachtet.
Wenn Kirche und Gesellschaft Missbrauch ernsthaft aufarbeiten wollen, dürfen solche Urteile nicht das letzte Wort sein. Sie sind Mahnung – und Ärgernis zugleich.
Vermutlich wird sich die ein oder der andere fragen, wieso ich gerade zu diesem Thema meine Meinung auf dieser Website äußere: Ich werde für die Betroffene beten, damit ihr eines Tages vielleicht doch noch Gerechtigkeit widerfährt .