Kirchenmusik – Das Unaussprechliche ahnen

Klaus Wallrath

Herr Klaus Wallrath ist Kirchenmusiker und Komponist und seit 35 Jahren als Kantor und Chorleiter an der Basilika St. Margareta in Düsseldorf-Gerresheim tätig. In dieser Zeit baute er mehrere Chöre und Ensembles auf und aus. Zu nennen sind beispielsweise der Basilika-Chor, eine Chorschule für Kinder und Jugendliche sowie der Kammerchor St. Margareta. Herr Wallrath initiierte auch zahlreiche Konzertreihen wie die Gerresheimer Orgeltage, sowie Oratorienaufführungen und Stiftssaalkonzerte und komponierte zahlreiche Messen, Motetten, Kantaten und Kindermusicals. Ich freue mich, dass Herr Wallrath sich die Zeit für die Beantwortung der folgenden Fragen genommen hat.

Herr Wallrath, wir sind fast ein Jahrgang und während ich mich in der Hoch-Zeit von Beatles, Rolling Stones und Frank Zappa austobte, erhielten Sie zur selben Zeit bereits Klavier- und Orgelunterricht. Hat Sie die zeitgenössische Pop- und Rockmusik kalt gelassen oder haben Sie auch mal “Stairway to Heaven” von Led Zeppelin von der Orgel aufsteigen lassen?

Klaus Wallrath: Natürlich war für mich die damals aktuelle Pop- und Rockszene auch präsent; im klassischen Musikunterricht spielte sie allerdings so gut wie keine Rolle. Heute sind die Grenzen da längst nicht mehr so starr, und das ist gut so. Ich freue mich über die stilistische Vielfalt – auch in der (liturgischen) Kirchenmusik.

Orgel der Kirche St. Margareta, Düsseldorf (Orgelbaufirma Rieger, 1982)
Foto: Achim Beiermann

Noch einmal kurz zu Ihrer musikalischen Anfangszeit: Sind Sie in einem musikalischen Elternhaus aufgewachsen? Wie und wo fand Ihre erste Begegnung mit der klassischen Musik statt?

Klaus Wallrath: Meine Eltern waren keine Musiker, aber sie waren begeisterte (Kirchen-)Chorsänger. Insofern würde ich mein Elternhaus schon musikalisch nennen, da meine ersten musikalischen Eindrücke tatsächlich über die Kirchenmusik kamen. Der damalige Kantor meiner Heimatgemeinde war ein bemerkenswerter Mensch und Musiker, der es verstanden hat, Menschen für die Musik zu begeistern. Ich erinnere mich an Konzerte und Gottesdienste, bei denen außergewöhnliche Werke zur Aufführung gelangten, die mich tief beeindruckt haben. Das vergisst man sein Leben lang nicht.

Ein gut gestalteter Gottesdienst enthält auch über die Musik hinaus noch viele Elemente, die uns sinnlich ansprechen können.

„Wenn heute Publikum in die Aufführung eines Bachschen Oratoriums kommt, bringt es ganz andere Voraussetzungen mit als das Publikum, was seinerzeit in die Thomaskirche in Leipzig gekommen ist. Ich kenne viele Leute aus unserem Konzertpublikum, die mit geistigen Inhalten eigentlich gar nicht viel zu tun haben, die sich aber von Bachs Musik ganz besonders ansprechen lassen und die dabei ein – ich nenn das jetzt mal spirituelles Erleben haben – was in einem Gottesdienst und einer Predigt so nicht mehr möglich ist.“ (Thomas Neuhoff, Dirigent, Kirchenmusiker und musikalischer Leiter des Kölner Bachvereins.) Herr Wallrath, in welcher Weise können Sie Ihrer Meinung nach als Kantor und Teil des Seelsorgeteams Ihrer Pfarre auch außerhalb von Gottesdiensten spirituelles Erleben ermöglichen?

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Klaus Wallrath: Musik erreicht die Menschen emotional und spricht auf diese Weise Bereiche und Gefühle in uns Menschen an, die mit Worten nur schwer zu wecken sind. Ein gut gestalteter Gottesdienst enthält auch über die Musik hinaus noch viele Elemente, die uns sinnlich ansprechen können. Insofern kann ein gelingendes Zusammenwirken zwischen Altar und Orgel, zwischen Zelebrant und Musikerin ein beglückendes Erlebnis für alle Anwesenden sein. Gelingt leider nicht immer …

Basilika St. Margareta Düsseldorf
Basilika St. Margareta, Düsseldorf
Foto: Achim Beiermann

Als Kirchenmusiker und Leiter zahlreicher Chorgruppen mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aller Altersstufen erreiche ich in der Gemeinde sehr viele Menschen, die unsere Gottesdienste nur besuchen, wenn sie sie musikalisch gestalten. Es verbindet sie die Liebe zur Musik, die Freude am Singen (das ja sehr gesund ist) – und vielleicht auch eine Ahnung des Unaussprechlichen, das durch die Musik vermittelt werden kann.

Sie steigen nun schon einige Jahrzehnte nahezu täglich auf Ihre Orgelempore, von der aus Sie nicht nur einen Blick auf Priester und MessdienerInnen am Altar haben, sondern auch auf die Kirchengemeinde. Was hat sich aus Ihrer Sicht während dieser langen Zeit verändert?

Klaus Wallrath: Natürlich hat sich in der langen Zeit vieles verändert. Die wichtigste Veränderung ist, dass das System Kirche, so wie ich es als Kind noch kennenlernte und mit dem ich noch wie selbstverständlich aufgewachsen bin, nicht mehr funktioniert, weil ein großer Teil der Menschen, auch der Katholiken, es so, wie es ist, nicht mehr mittragen kann und will.

Wie würden Sie den folgenden Satz fortsetzen? “Gebet ist für mich…”

Klaus Wallrath: Gebet ist für mich innehalten … zur Ruhe kommen … Zuversicht schöpfen …

Ich danke für das Gespräch.

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