Kein Tier für den Teller!

Prof. Dr. Anne Käfer

Warum Christen Tiere nicht essen sollten

Frau Prof. Dr. Anne Käfer ist Professorin für Systematische Theologie an der Universität Münster sowie Mitglied im Vorstand des Zentrums für Interdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung (ZIN https://www.uni-muenster.de/Nachhaltigkeit/). Sie ist auch Autorin des Buches „Gottes Werk und Fleisches Lust. Tierethische Erörterungen aus evangelisch-theologischer Sicht“, das in zweiter Auflage 2024 im Verlag Karl Alber (https://www.nomos-shop.de/de/p/gottes-werk-und-fleisches-lust-gr-978-3-495-99320-0 ) erschienen ist. 

Ich freue mich, dass Frau Käfer sich die Zeit genommen hat, meine Fragen zu beantworten.

Frau Prof. Dr. Käfer, wann haben Sie sozusagen Ihr Herz für Tiere entdeckt und gab es dafür einen bestimmten Auslöser?

Prof. Dr. Anne Käfer: Mir scheint, dass Kinder gerne in freundlicher Beziehung mit Tieren leben. Häufig aber geben wohl Eltern und Gesellschaft zu verstehen, dass Tiere einem menschlichen Nutzen zu entsprechen hätten. Auch wird vielfach behauptet, ein Kind würde frei von Tierfleisch nicht gesund ernährt. Dies führt vermutlich dazu, dass das Herz so mancher erwachsen gewordener Kinder dann irgendwann nicht länger für Tiere schlagen mag.

Mein Herz benötigte jedenfalls keinen bestimmten Auslöser, um sich immer schon über das Wohlergehen von Tieren zu freuen. Allerdings ist mir wichtig, dass auch dann, wenn Tiere oder bestimmte Tierarten bei Menschen keine besonderen Sympathien erwecken, diese Lebewesen doch als Mit-Geschöpfe geachtet und gewürdigt werden.

Alles Dasein und Leben ist aus gutem Grund gegeben.

Welche theologischen Quellen und Traditionen haben Ihre Sicht auf die Würde von Tieren besonders beeinflusst?

Prof. Dr. Anne Käfer: Leider kenne ich keine ausgeprägten theologischen Traditionen, die die Würde des Tieres vertreten. Mein Verständnis von Würde hat jedoch theologische und philosophische Quellen. Entscheidend ist meines Erachtens die christliche Einsicht, dass alles Dasein und Leben aus gutem Grund gegeben ist. Es ist gegründet in der Liebe Gottes. Durch die schöpferische Liebe Gottes ist jedes menschliche Tier und ebenso jedes nicht-menschliche Tier gewürdigt.

Die Spezies Mensch, die sich ja im Verlauf der Evolution aus anderen Tieren entwickelte, entstammt demselben Grund wie diese Tiere auch. Dieser Grund jedoch ist, wie es Martin Luther auf den Punkt bringt: „überschwängliche Liebe“. Überschwängliche Liebe aber kann keineswegs auf die eine Tierart „Mensch“ beschränkt sein.

Niemals sollten wir Tiere allein zu unserem Nutzen benutzen.

Die der Liebe Gottes verdankte unantastbare Würde der menschlichen wie der nicht-menschlichen Tiere verlangt von uns Menschen, dass wir die einen wie die anderen Tiere niemals bloß als Mittel zur Befriedigung unserer Bedürfnisse verzwecken. Niemals sollten wir sie allein zu unserem Nutzen benutzen. Vielmehr sollten sie immer auch als Zweck an sich selbst behandelt werden.

Immanuel Kant hat über die Würde der Spezies Mensch ausgesagt, dass ihretwegen ein jeder Mensch immer auch als Zweck an sich selbst zu achten sei. Anders als der Philosoph halte ich aus christlicher Sicht fest, dass nicht nur die Exemplare der Spezies Mensch, sondern auch diejenigen aller anderen Spezies immer auch als Zweck an sich selbst zu achten sind.

Was sind die größten Herausforderungen, denen sich Menschen in unserer modernen Gesellschaft im Umgang mit Tieren stellen müssen, wenn sie die Würde der Tiere respektieren?

Prof. Dr. Anne Käfer: Es sind meines Erachtens keine einfachen Herausforderungen, aber machbare. Sie betreffen vor allem die Ernährung des Menschen, seine Haltung von Heimtieren und die Durchführung von Tierversuchen. In meinem Buch „Gottes Werk und Fleisches Lust“ habe ich hierzu ausführliche Gedankengänge dargelegt. Im Rekurs auf philosophische Entwürfe (u. a. von Immanuel Kant, Peter Singer und Martha C. Nussbaum) sowie im Rückgriff auf theologische Positionen (u. a. von Martin Luther und Friedrich Schleiermacher) habe ich entsprechende Fragestellungen eingehend reflektiert.

Es ist eine gesunde und schmackhafte vegetarische wie vegane Ernährung gut möglich.

Was ich hier im Interview kurz und knapp sagen kann, betrifft die Ernährung in unseren geographischen Breiten. Es ist eine gesunde und schmackhafte vegetarische wie vegane Ernährung gut möglich. Für diese Ernährung sprechen die Freude an der Vermeidung von Leid und Schmerzen sowie die Verantwortung gegenüber den zukünftigen Generationen.

Schlachterei
Industrielle Tierschlachtung
Foto: Pixabay/Jai79

Die Haltung und Tötung von Tieren, die von Menschen in unseren geographischen Breiten reichlich verzehrt werden, ist mit großen Schmerzen, Leiden und Schäden für die Tiere verbunden. All diese Quälerei ist nicht nur nicht nötig, um das Leben von Menschen zu erhalten. Sie ist auch weit entfernt von Gottes erlösender Liebe, die uns im menschgewordenen Gott, in Christus also, zu verstehen gegeben ist. Um unserer Grausamkeit willen stirbt Gott am Kreuz und nimmt unsere Grausamkeit mit sich in den Tod. Denn er will uns ein neues, ein freude- und liebevolles Leben eröffnen.

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Ist ein Mensch von Gottes unbeschränkter Liebe bewegt, kann er doch das Elend der Mitgeschöpfe nicht wollen. Vielmehr müsste ihm wohl daran gelegen sein, dass Gottes Kreaturen gut und in Freude leben. Solche Freude aber wird ihnen nicht gewährt, wenn sie allein zum Verzehr gezüchtet und getötet oder allein dazu gehalten werden, dass ihnen Eier und Milch entnommen werden können.

Mit einer Ernährung, die auf Tierfleisch und Tierprodukten basiert, geht zudem ein erheblicher Schadstoffausstoß einher. Und nicht nur das, auch Unmengen an Wasser werden verbraucht. Durch solch eine Ernährung werden der Klimawandel und das Artensterben rasant befördert.

Allein der Anbau von Soja auf gerodeten Regenwaldflächen zu dem Zweck, mit diesem Futtermittel hiesige „Speisetiere“ zu mästen, ist ein Klimawandeltreiber par excellence. Dadurch, dass der brasilianische Regenwald hektarweise verbrannt wird, um ihn für den Anbau von Sojapflanzen nutzbar zu machen, werden immense Mengen an CO2 ausgestoßen, die durch die vernichteten Bäume natürlich nicht mehr gebunden werden können. Würden wir Menschen uns selbst von Soja ernähren, würde nur ein kleiner Bruchteil davon nötig sein. Neben der kolossalen Energieverschwendung durch den Fleischverzehr, beschleunigt dieser auch das Artensterben nicht nur derjenigen Tiere, die einst in den nun abgeholzten Wäldern lebten.

Unsere Eingriffe in die Natur zu dem Zweck, Massen an mit Soja gefütterten Tieren aus Massentierhaltung zu verzehren, haben eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt, vor der zukünftige Generationen erschaudern werden. – Ob aus Liebe zu den eigenen Kindern und Enkelkindern die Freude an der Bewahrung unserer Mitwelt nicht größer sein müsste als die Lust auf Fleisch?

Wie kann die christliche Gemeinschaft aktiv dazu beitragen, das Bewusstsein und die Praxis im Umgang mit Tieren zu verändern?

Prof. Dr. Anne Käfer: Die christliche Gemeinschaft könnte sich auf ihre eigene Botschaft von der überschwänglichen Liebe Gottes besinnen, die in Christus deutlich wird. Im Christusereignis lässt uns Gott der Schöpfer verstehen, dass Gewalt und Leid überwunden werden sollen.

Wie kommt man darauf, ausgerechnet glückliches Leben zu beenden?

Die christliche Gemeinschaft könnte sich also aus gutem und ihrer Botschaft ureigenstem Grund laut und deutlich dafür aussprechen, dass in unseren Breiten nicht länger Tiere zum Verzehr durch Menschen ums Leben gebracht werden mögen. Vielmehr sollte deren Wohlergehen das Anliegen christlicher Liebe sein. Die Idee allerdings, dass man besser glückliche als unglückliche Tiere esse, halte ich, ehrlich gesagt, für sehr befremdlich. Wie kommt man darauf, ausgerechnet glückliches Leben zu beenden?

Pfote-Hand
Tierliche Pfote neben menschlicher Hand
Foto: Pixabay/giselastillhard

Die christliche Gemeinschaft sollte mutig sein, wenn es darum geht, im Sinne ihrer Botschaft zu sprechen und zu handeln. Auf kirchlichen Veranstaltungen sollten die tierlichen Opfer menschlicher Gewalt nicht länger zum Verzehr geboten werden. Das ruft selbstverständlich nicht nur den Widerstand christlicher Landwirt*innen hervor. Gerade mit diesen allerdings sollte sich die christliche Gemeinschaft um die politische Förderung des Anbaus alternativer Lebensmittel einsetzen.

Eine Fülle an nicht-tierlichen Nahrungsmitteln könnte in der christlichen Gemeinschaft genossen werden. Und die Freude am Wohlergehen der tierlichen Mitgeschöpfe wie der zukünftigen Generationen könnte gemeinsam gelebt und auch verbreitet werden.

Wie würden Sie den folgenden Satz fortsetzen? „Gebet ist für mich …”

Prof. Dr. Anne Käfer: Gebet ist für mich das vertrauensvolle In-Worte-Fassen meiner Freuden und Nöte in Dank und Bitte, das an den liebenden Grund allen Lebens gerichtet Zuversicht vermittelt. Zuversicht erlebe ich dann, wenn es mir möglich ist, in das Vaterunser einzustimmen und zu sprechen: Was auch immer ich begehre, „Dein Wille geschehe“.

Ich danke für das Gespräch.

(Hinweis zu dem verwendeten Foto von Frau Prof. Dr. Anne Käfer: Die Bildrechte liegen bei Bruno Biermann.)

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