Uwe Birnstein, der ursprünglich Pfarrer werden wollte, ist Musiker, Journalist und Autor. Gemeinsam mit dem Sozialwissenschaftler Volker Eichener – beide glühende Musikliebhaber – hat er das Buch „Highway to Heaven“ geschrieben, das im Oktober 2024 im bene!-Verlag erscheinen ist.
Ich freue mich, dass Uwe Birnstein sich die Zeit genommen hat, meine Fragen zu beantworten.
Herr Birnstein, was hat Sie persönlich dazu inspiriert, nach spirituellen Elementen in Rock-, Pop- und Metal-Songs zu suchen?
Uwe Birnstein: Ich habe sie nicht gesucht, sie haben mich gesucht und auch gefunden. In Jugendjahren entdeckte ich die Pop- und die Rockmusik. Bob Dylan, Led Zeppelin, Queen, die Beatles und die Rolling Stones: Sie haben nicht nur meine Tanzbeine erreicht, sondern auch mein Herz. „Stairway to Heaven“ lief in Dauerschleife: Das Lied von einer reichen Frau, die irgendwann merkt: Ihr Wohlstand bringt sie Gott nicht näher. Die Beatles, die mir verkündeten: Liebe ist alles, was du brauchst. Die Rolling Stones, die mir beibrachten, dass ich nicht Abscheu, sondern Verständnis für den Teufel aufbringen sollte, schließlich ist alles so verwoben auf der Welt, dass auch ich ins Böse verstrickt bin. Und dann natürlich Barclay James Harvests „Hymns“, die mit himmlischen Akustikgitarren von Jesus sangen. Seitdem entdecke ich ständig staunend die spirituellen Themen in der Musik.

Sie haben sich in Ihrem Buch „Highway to Heaven“ mit Songs von Gruppen wie AC/DC, Black Sabbath, Led Zeppelin und den Rolling Stones beschäftigt und sind dabei auf spirituelle Botschaften gestoßen. Wieso greift Ihrer Ansicht nach gerade die populäre Musik so häufig religiöse oder spirituelle Themen auf?
Uwe Birnstein: Weil der Glaube auch im Leben dieser Musiker und Musikerinnen eine Rolle spielt. Das Gute: Sie prüfen ihn nicht an dogmatischen Aussagen, sondern gehen eben künstlerisch-kreativ ans Thema dran. Das verschafft ihnen eine Freiheit, die vielen beruflichen Verkündigerinnen und Verkündern verschlossen ist.
Gibt es einen Song, bei dem Sie überrascht waren, wie tief die spirituellen Bezüge tatsächlich sind?
Uwe Birnstein: „Hallelujah“ von Leonard Cohen flasht mich immer wieder neu. Wie Cohen hier die biblische Geschichten von König David und Simson mit eigenen Erfahrungen von Liebe und Abhängigkeit, Schuld und Vergebung poetisch zusammenwebt, ist größte spirituelle Kunst. „Love is not a victory march, it’s a cold and it’s a broken Hallelujah“: Was für eine Tiefe! Und am Ende das berückende Bild: Er steht vor Gott, dem „Lord of Songs“, das einzige, was er mitbringt, ist ein „Hallelujah“. Großartig.
Wie sehen Sie den Zusammenhang zwischen der oft rebellischen Haltung in Rock und Metal auf der einen Seite und den spirituellen Themen in diesen Genres auf der anderen Seite?
Uwe Birnstein: Glaube, egal welcher Religion, hat viele Facetten. Gebet und Meditation helfen Menschen zur Ruhe zu kommen, zur Besinnung, also das Wesentliche im Leben zu erkennen, im eigenen wie im großen Ganzen. Eine andere Facette ist das Rebellische, auch das ist in allen Religionen enthalten und gehört offensichtlich zur Spiritualität dazu. Als Jesus die Händler im Tempel sah, war er empört darüber, dass sie mit der Religion Geld machen wollten.
Er vertrieb sie ziemlich rüde. Wenn das Materielle sich Oberhand verschafft und Menschen davon abbringt, zu sich und zu Gott zu kommen, dann ist das ärgerlich. Diese Art von Zorn setzt allerdings nicht das Gebot der Feindesliebe außer Kraft. Das vergessen die Fundamentalisten aller Religionen leider, wenn sie versuchen, mit Gewalt und Übergriffigkeit gegen vermeintlich Gottlose vorzugehen.
Rockmusiker gerade der 70er und 80er Jahre stellen das konservative bürgerliche Wertesystem in Frage. Aber meist nicht, um Chaos anzurichten, sondern um wachzurütteln. Sie hinterfragen den Materialismus der sattgewordenen Nachkriegsgesellschaften Europas.
Wie würden Sie den folgenden Satz fortsetzen? “Gebet ist für mich …”
Uwe Birnstein: Gebet ist für mich die Zweisprache mit Gott. Und allen, die mit „Gott“ nichts mehr – oder nur Einengendes – anzufangen wissen: Zwiesprache oder Anknüpfen mit der Energie der Liebe. Im Gebet schaue ich selbstkritisch auf mich und mein Tun, überprüfe mich. Psalm 139 hilft mir dabei: „Gott, Du kennst und erforschst mich“. Überhaupt, wenn die eigenen Worte schwer fallen, eignen sich Psalmen und andere Weisheiten der Bibel sehr gut, um in den Gebetszustand zu gelangen. „Gott ist Liebe Und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott“: Das bete ich nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern auch beim Joggen. Und: Das Gebet setzt ein außerordentlich beglückendes Gefühl frei: Dankbarkeit.
Ich danke für das Gespräch.
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Hinweis: Im Buch „Highway to Heaven“ kommen folgende Songs zur Sprache:
AC/DC, Highway To Hell / Black Sabbath, God Is Dead / Johnny Cash, Peace In The Valley / Tracy Chapman, Heaven’s here on earth / Eric Clapton, Tears in Heaven / Leonard Cohen, Hallelujah / Sinead O’Connor, Theology / Depeche Mode , Personal Jesus / Bob Dylan, Every Grain of Sand / Genesis, Jesus He Knows Me / Herbert Grönemeyer, Stück vom Himmel / Sarah Lesch, Testament / Udo Lindenberg, Interview mit Gott / Taylor Swift: Karma & andere / Madonna, Like a Prayer / Joan Osborne, One of Us / Rolling Stones, Sympathy for the Devil / Rolling Stones & Lady Gaga, Sweet Sounds of Heaven / Patti Smith, Gloria / Bruce Springsteen, Jesus was the only son / U2, I Still haven’t Found / Led Zeppelin, Stairway to Heaven
Uwe Birnstein ist mit Konzertlesungen unterwegs, Termine: www.birnstein.de
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