Beten – und dann die Ärmel hochkrempeln

Beten – dann Ärmel hochkrempeln

Nahezu täglich erreichen mich Gebetsanliegen, die von großen persönlichen Nöten erzählen. Menschen berichten von verstorbenen Partnern oder Freunden, zerbrechenden Ehen, Kindern, die in Drogensucht gefangen sind, oder von Menschen, die unter lähmenden Ängsten leiden. Immer wieder bitten sie mich: „Bitte bete für uns.“ Und selbstverständlich tue ich das – aus tiefstem Herzen. Ich lege diese Sorgen vor Gott, vertraue darauf, dass er tröstet, stärkt und Wege zeigt, wie sich Probleme aufbrechen lassen.

Doch manchmal, das gebe ich ehrlich zu, habe ich auch den Gedanken: „Vielleicht ist es an der Zeit, nicht nur zu beten, sondern auch selbst ins Handeln zu kommen.“ Nicht, weil ich das Wunder von Gott infrage stelle. Sondern weil ich glaube, dass Gott uns auch Verstand, Hände und Füße gegeben hat, um selbst Verantwortung für unser Leben zu übernehmen. Glaube und Eigeninitiative schließen sich nicht aus – sie gehören zusammen wie zwei Seiten einer Medaille.

Es gibt eine Geschichte im Neuen Testament, die mir dazu immer wieder einfällt: Jesus heilt den Gelähmten am Teich Bethesda. Doch bevor das Wunder geschieht, fragt er den Mann: „Willst du gesund werden?“ (Johannes 5,6). Eine scheinbar seltsame Frage – wer würde nicht gesund werden wollen? Doch diese Frage richtet den Blick auf die innere Bereitschaft zur Veränderung. Auf den Willen, nicht nur passiv auf ein Wunder zu warten, sondern auch den ersten Schritt zu tun, sobald sich die Gelegenheit ergibt. „Steh auf, nimm deine Matte und geh“, sagt Jesus – und der Mann steht tatsächlich auf.

Manchmal scheint es uns, als müssten wir nur beten, damit sich die Probleme auflösen. Doch ich glaube: Das Gebet ist keine Art „magisches Ritual“, das uns von unserer eigenen Verantwortung entbindet. Vielmehr ist es ein Raum, in dem wir unsere Sorgen ablegen und uns selbst stärken lassen. Im Gebet finden wir den Mut, die nächsten Schritte zu gehen – auch wenn sie klein sind.

Ebenfalls lesenswert
Nahtoderfahrungen – Ein Blick hinter die Kulissen?

Ein Telefonat mit einem Therapeuten oder einer Beratungsstelle, ein offenes Gespräch mit der Familie, der Entschluss, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen oder endlich die lang aufgeschobene Entscheidung zu treffen – all das sind Schritte, die wir selbst tun können. Und ja, es ist oft schwer, diese Schritte zu wagen, vor allem wenn die eigene Kraft fast aufgebraucht ist. Aber ich glaube fest daran: Wenn wir unser Herz im Gebet öffnen und gleichzeitig mit unseren Möglichkeiten handeln, dann kann Gott unsere Bemühungen segnen.

Gott wirkt oft durch Menschen – durch helfende Hände, offene Ohren, tröstende Worte. Auch wir selbst können solche Werkzeuge seiner Liebe sein. Aber das bedeutet auch, dass wir uns selbst die Erlaubnis geben, tätig zu werden, statt nur auf ein Eingreifen „von oben“ zu warten. Es ist wie bei einem Sturm: Wir können beten, dass er vorübergeht – und gleichzeitig die Fensterläden schließen und uns in Sicherheit bringen.

Deshalb gilt: Beten, ja – unbedingt. Aber auch: Mutig den nächsten Schritt tun, den Gott uns vor die Füße legt. Denn manchmal beginnt das Wunder genau dort, wo wir selbst den ersten Schritt machen.

❤️ Möchten Sie jemandem diesen Beitrag zukommen lassen? Dann teilen Sie ihn gerne – per E-Mail oder in Ihren Netzwerken: