Beten hilft – und Hilfe auch

Alkohol

Wenn Menschen süchtig sind – nach Alkohol, Tabletten, Drogen oder anderen Dingen, die ihr Leben bestimmen und zerstören – dann ist das Leid oft unermesslich. Nicht nur für sie selbst, sondern auch für ihre Angehörigen, Freundinnen und Freunde. Viele schreiben mir über ihre Sorgen. Und dann kommt immer die Frage: „Kannst du bitte für ihn oder sie beten?“

Ja, das kann ich und ich tue es gern. Aber manchmal frage ich mich selbst: Reicht das eigentlich? Oder ist es nicht naiv zu glauben, ein Gebet könnte ein jahrzehntelanges Suchtverhalten einfach umkehren? Wäre ein Entzug, eine Therapie, eine intensive Begleitung durch Fachleute nicht der richtige Weg?

Die Antwort ist: Beides.

Es ist kein Widerspruch, sondern eine Ergänzung. Beten und handeln. Vertrauen und Verantwortung. Gott hat uns nicht ohne Verstand gemacht – und nicht ohne Gefühl. Wenn wir Hilfe brauchen, dürfen wir sie annehmen. Und wenn wir beten, dann nicht, weil wir Zauberkräfte oder Wunder von oben erwarten, sondern weil wir Gott in unser Ringen hineinnehmen. Weil wir glauben, dass er Wege öffnen kann, wo wir nur Mauern sehen.

Jesus selbst hat Kranke geheilt. Aber er hat ihnen auch gesagt: „Steh auf. Geh. Tu, was du tun kannst.“ Glaube ist nie nur Passivität. Glaube ist Bewegung, Hoffnung und Vertrauen. Vertrauen auch darauf, dass Gott uns Menschen mit klugen Köpfen und helfenden Händen geschenkt hat: Ärztinnen, Therapeuten, Seelsorgerinnen. Und ja, manchmal auch eine Freundin, die einfach nicht locker lässt. Einen Sohn, der den Mut hat, für seine Mutter, seinen Vater Hilfe zu holen. Oder einen Menschen, der einfach „nur“ betet.

Ebenfalls lesenswert
Gebet plus Hilfe: Pflegende Angehörige

Ich weiß es aus eigener Erfahrung, denn auch ich war als junger Mensch einer Sucht erlegen: Jeder Mensch hat die Chance zur Veränderung. Auch wenn der Weg dorthin lang und schwer ist. Und ich glaube auch: Manchmal braucht es den einen Moment, der etwas ins Wanken bringt. Einen Gedanken. Einen Impuls. Einen Satz. Oder ein Gebet. Auch ich hatte diesen einen Moment. Aus diesem einen Moment wurde meine Frau, mit der ich inzwischen 40 Jahre zusammen und 38 Jahre verheiratet bin.

Vielleicht ist genau das das Wunder: dass ein Gebet etwas zum Klingen bringt im Innersten. Dass ein Mensch sich plötzlich aufmacht. Hilfe annimmt. Ehrlich wird. Und beginnt, Schritt für Schritt ein neues Leben zu wagen.

Gebet ersetzt nicht den Entzug. Und ein Entzug ersetzt nicht das Gebet. Aber zusammen können sie mehr bewirken als jedes für sich allein.

Deshalb bete ich weiter. Für alle, die gefangen sind. Und für die, die ihnen beistehen. Ich bete – und wünsche zugleich, dass der erste Schritt getan wird. Dass Worte in Taten münden. Und dass Menschen Hilfe finden, wo sie gebraucht wird.

Denn Hoffnung ist keine Einbahnstraße. Sie lebt davon, dass wir sie glauben – und gehen.

❤️ Möchten Sie jemandem diesen Beitrag zukommen lassen? Dann teilen Sie ihn gerne – per E-Mail oder in Ihren Netzwerken: