Frohe Ostern!

Dr. Wolfgang Reuter

Dr. Wolfgang Reuter ist Klinikpfarrer, Koordinator der Behinderten- und Psychiatrieseelsorge, Pastoralpsychologe und Psychoanalytiker. Er arbeitet als katholischer Seelsorger im LVR-Klinikum Düsseldorf  – Kliniken der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Ich freue mich, dass Herr Dr. Reuter sich bereit erklärt hat, den aktuellen Beitrag (April 2023) für die Rubrik “An(ge)dacht” zu schreiben.

Frohe Ostern!

Mal ganz ehrlich. Wenn Du Dich festlegen müsstest, welches Fest Du lieber feierst, was käme dabei raus? Weihnachten? Oder Ostern? Schwierige Frage. Da hilft auch nicht der immer mal wieder geäußerte Satz: … „wenn Weihnachten und Ostern auf ein und denselben Tag fallen ….“. Ja, er beschreibt den Traum von ganz großen Glücksmomenten, die es aber so nicht gibt, weil Weihnachten und Ostern nie auf einen Tag fallen. Das wäre eine tolle Lösung, aber die ist so nicht zu haben.  Jetzt, im April, feiern wir Ostern. Weihnachten dann, wie immer, wieder im Dezember. Nein, die Feste fallen nicht auf einen Tag.

Und wie hältst Du es damit: Hast Du Dich schon mal gefragt, welches der beiden Feste zuerst da war? Die Antwort liegt ja eigentlich auf der Hand: Weihnachten?!? Hier geht es um die Geburt Jesu. Wir feiern den Beginn seiner Lebensgeschichte. Wenn man so biographisch und chronologisch vom Anfang her denkt, dann ist das klar: Jede Lebensgeschichte beginnt mit der Geburt, eigentlich ja schon mit der Zeugung und den neun Monaten im mütterlichen Lebensraum. Und dann geht es los, das Leben in Entwicklung und in Beziehung. Es hat – natürlich – Höhepunkte und Tiefpunkte, wie auch einen Endpunkt. Das hören wir nicht gerne, es ist aber eine Gewissheit: Der Tod setzt jedem Leben irgendwann ein Ende. Bei Jesus war das nicht anders. An Weihnachten feiern wir seine Geburt, den Beginn seines Lebens. Und das endet an Karfreitag, Karsamstag – Schluss!?!

Friedhof
Der Tod setzt jedem Leben irgendwann ein Ende
Foto: Achim Beiermann

Ja, so könnte man denken: Irgendwann ist für jede(n) mal Schluss. Auch für den Menschen Jesus. Genau diese Gewissheit aber wird an Ostern durchkreuzt. Es eröffnet sich eine neue Perspektive. Okay, das mag zunächst einmal unglaublich und eventuell auch ein bisschen verrückt klingen. Aber so wie an Weihnachten, feiern wir auch an Ostern einen ganz besonderen neuen Anfang. Trotz seines Todes bleibt Jesus den Menschen lebendig präsent.

Die ersten Zeuginnen und Zeugen der Auferstehung, das feiern wir ja an Ostern, machen genau diese Erfahrung: Obwohl er nicht mehr da ist, setzt sich die Lebenskraft, die ganze Lebensfülle und damit auch das persönliche Dasein Jesu unter ihnen fort und zwar in der Gestalt der Erinnerung und der Beziehung.

Der Frühling erwacht!
Foto: Achim Beiermann

Alle Auferstehungserzählungen der Bibel sind vergegenwärtigende Beziehungsgeschichten, Geschichten vom Auferstandenen und den Menschen um ihn herum. Die Frauen am leeren Grab, die Emmausjünger auf ihrem Weg, Petrus und die anderen Freunde Jesu, die erfolglosen Fischer am See, sogar Thomas, der Zweifler und schlussendlich auch Paulus, der die ersten Christen verfolgt hat – sie alle berichten von ihren Erfahrungen einer neuen Gegenwart des Auferstandenen.

Das konnten und wollten sie nicht für sich behalten. Sie mussten davon erzählen und miteinander reden. Wenn man so will, ist dies die Geburtsstunde, der Anfang vom Glauben an Jesus Christus, den Auferstandenen: Der, der mit ihnen gelebt hatte, der auf ganz besondere Weise auf Menschen zuging, mit ihnen in Beziehung trat und auf seine für alle ganz und gar neue Art und Weise zu ihnen von Gott sprach, der gelitten hat, am Kreuz gestorben ist und begraben wurde, der ist unter ihnen weiterhin präsent!

Jedes Jahr ein Neuanfang!
Foto: Achim Beiermann

Heute wissen wir davon, weil die Beteiligten das alles weitererzählt und ihre Erinnerungen schlussendlich auch aufgeschrieben haben. Dabei waren sie von ihren Erfahrungen und vom neuen Geist der Gegenwart des Auferstandenen inspiriert. 

Ostern mit dem Ausgangspunkt am leeren Grab, wurde so zur Geburtsstunde der Kirche. Kirche – das war anfangs nicht diese machtvolle Organisation, wie wir sie heute kennen. Kirche, das war die Gemeinschaft derer, die in der Auferstehung Jesu einen Neuanfang sahen – den Neuanfang Gottes mit den Menschen trotz aller Todesgewissheit. Wenn wir heute Ostern feiern, ist das die vergegenwärtigende Erinnerung an genau diesen Neuanfang, der auch heute möglich ist. So feiern wir, mitten im Leben, das Fest der Auferstehung.

Frohe Ostern!