Engagement über den Kirchturm hinaus

Pater Elias

Pater Elias H. Füllenbach ist Prior des Düsseldorfer Dominikanerkonvents und Rektor der Andreaskirche in der Altstadt. Daneben ist er Vorstandsmitglied der Düsseldorfer Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit sowie Leiter des Instituts zur Erforschung der Geschichte des Dominikanerordens im deutschen Sprachraum. Ich freue mich, dass ich Pater Elias die folgenden Fragen stellen durfte.

Wenn ich mir die TOP 10 der aktuellen Berufswünsche von Kindern und Jugendlichen anschaue, finde ich darunter keine seelsorgerischen Tätigkeiten. Wann und wie ist Ihr Wunsch, Priester zu werden, herangereift und welcher Weg führte Sie schließlich zum Dominikanerorden?

Pater Elias: Das ist eine lange Geschichte. Meine Familie ist nicht besonders religiös, aber wir haben in meiner Kindheit und Jugend viel über Gott und die Welt gesprochen – diese Offenheit war sicher prägend. Gerne erinnere ich mich auch an manche Schulgottesdienste, an den Lektorendienst in der Gemeinde, die Erfahrungen im Maxchor. Auch einige Seelsorger waren für mich sehr wichtig. Kurz vor dem Abitur kam dann der Gedanke auf, dass das auch ein Weg für mich sein könnte.

Ich bin sehr gerne Ordensmann und schätze die dominikanische Verbindung von Seelsorge, Wissenschaft und einem religiösen Leben in Gemeinschaft.

Neben der Schule habe ich mir etwas Taschengeld in der Bibliothek des Düsseldorfer Dominikanerklosters dazuverdient. Daher kannte ich schon den Orden ein wenig. Nach einem Sozialpraktikum in Berlin bin ich dann 1997 in das Noviziat der Dominikaner in Worms eingetreten. Irgendwie war damals der Gedanke da: Du musst das jetzt ausprobieren. Wenn es nicht passen sollte, wird dir Gott schon einen anderen Weg zeigen. Und wie Sie sehen, hat es „gepasst“. Natürlich habe ich später auch manche Krisenzeiten erlebt, das gehört dazu. Aber ich bin sehr gerne Ordensmann und schätze die dominikanische Verbindung von Seelsorge, Wissenschaft und einem religiösen Leben in Gemeinschaft. Denn auch wenn wir alle sehr unterschiedlich sind und uns gelegentlich auch mal auf die Nerven gehen, sind wir als Dominikaner keine „Einzelkämpfer“, sondern wir ziehen alle gemeinsam an einem Strang, und jeder kann sich mit seinen Begabungen und Fähigkeiten einbringen.

Welche Bedeutung hat das Gebet in Ihrer Ordensgemeinschaft?

Pater Elias: Das Gebet ist für uns ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens, denn wir sind ja keine bloße „Männer-WG“, sondern eine religiöse Gemeinschaft, deren Auftrag es ist, das Wort Gottes zu verkünden – und das geht nur, wenn wir uns immer wieder auf die Suche begeben: nach dem Sinn der heiligen Schrift, nach den Zeichen der Zeit, nach Gottes Gegenwart in unserer Welt. Dazu gehört auch die Suche nach dem Göttlichen in uns selbst, wie die dominikanischen Mystiker, allen voran Meister Eckhart, betonen. Diese Suche hört niemals auf und ist deswegen auch so spannend.

Wie Sie sehen, ist „Gebet“ bei uns im Dominikanerorden ein sehr weit gefasster Begriff, denn für uns ist letztlich alles, was unsere Beziehung zu Gott, zu der Welt um uns herum und zu uns selbst vertieft und wachsen lässt, in gewisser Weise schon „Beten“. Als Dominikaner praktizieren wir daher auch die unterschiedlichsten Gebetsformen – vom Rosenkranz bis zur stillen Meditation, von der Schriftbetrachtung allein im eigenen Zimmer bis zum gemeinsamen Gottesdienst in der Kirche.

Sinn und Ziel unseres Betens ist immer die Verkündigung.

Sinn und Ziel unseres Betens ist aber immer die Verkündigung, also unser Predigtauftrag, den wir seit der Gründung unseres Ordens vor nunmehr 800 Jahren haben. Einer der bekanntesten Theologen unseres Ordens, der hl. Thomas von Aquin, hat unsere Aufgabe als Dominikaner deswegen einmal so beschrieben: „Betrachten und das, was man betrachtet hat, anderen weitergeben“. Das bringt die dominikanische Idee ganz gut auf den Punkt: Es geht darum, dass wir das im Gebet und im Studium Erkannte nicht für uns behalten, sondern mit anderen teilen.

Sie schreiben auf Ihrer Website unter anderem, dass Ihnen die Menschen in und um die Andreaskirche, die gleichzeitig Klosterkirche der Dominikaner ist, besonders wichtig sind. Welche Menschen sind dies und wie sieht Ihre seelsorgerische Tätigkeit für diese Menschen aus?

Pater Elias: Zu uns in die Düsseldorfer Altstadt kommen die unterschiedlichsten Menschen: Jung und Alt, Arme und Wohlhabende, Düsseldorfer und Touristen, die unsere Kirche besichtigen wollen. Manche möchten im Trubel der Stadt nur mal kurz innehalten oder eine Kerze entzünden, andere suchen bei uns Rat und Hilfe, klingeln an der Klosterpforte oder kommen zu unseren Gesprächs- und Beichtangeboten. Für all diese Menschen versuchen wir da zu sein – mit einem breiten Angebot an Gottesdiensten, Konzerten, Führungen. Unsere Kirche ist jeden Tag geöffnet, aber es geht uns nicht nur um offene Türen, sondern auch um eine innere Haltung, die sich für die Sorgen und Ängste, aber auch für die Freuden und Hoffnungen der Menschen interessiert.

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Unser Orden ist ja Anfang des 13. Jahrhunderts, also in einer Krisenzeit der Kirche, entstanden. Auch damals konnten viele mit der Institution Kirche nicht mehr viel anfangen. Dominikus und die ersten Brüder gingen daher in die Städte, um den Menschen nahe zu sein und für den Glauben zu werben – nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe. Das ist unsere Aufgabe bis heute, und deswegen wenden wir uns mit unseren Angeboten auch an Menschen, die nicht mehr regelmäßig in die Kirche gehen, angefangen bei der „Nacht der Liebenden“ am Valentinstag bis zur Tiersegnung im November. Deswegen engagieren wir uns auch über den Kirchturm hinaus und versuchen, den Menschen auch an anderen Orten zu begegnen: Wir bieten Vorträge im „Haus der Universität“ und Lesungen im „Heine Haus“ an, kooperieren mit verschiedenen Kultur- und Sozialeinrichtungen der Stadt, engagieren uns für die Altstadt-Armenküche am Rathaus, in der jeden Tag ein warmes Mittagessen angeboten wird. Und schließlich sind wir alle auch noch in verschiedenen Gremien, Verbänden und Instituten außerhalb Düsseldorfs tätig. Da kommt keine Langeweile auf!

Zur Spiritualität Ihres Ordens zählt unter anderem das gemeinsame Chorgebet im Konvent. Was ist Inhalt dieses Gebets? Anders gefragt: Bezieht das Chorgebet auch die Welt “da draußen” mit ein oder beschränkt es sich mehr auf das Leben innerhalb Ihrer Gemeinschaft?

Pater Elias: Das gemeinsame Chorgebet, also das Gebet der Psalmen zu bestimmten Uhrzeiten, ist Teil unseres gemeinsamen Lebens. Es gliedert unseren Tag. So beten wir morgens um 7.30 Uhr die Laudes in der Kirche und halten danach gemeinsam einen Moment der Stille. Auch mittags ist das gemeinsame Gebet vor dem Mittagessen ein wichtiger Punkt, um innezuhalten und zur Ruhe zu kommen.

Wichtigster Bestandteil des Chorgebets sind die Psalmen, also uralte Texte der Bibel, die wir als Christen mit den Juden gemeinsam haben. Sie sind ein wahrer „Gebetsschatz“, denn in ihnen kommen Dank und Freude, aber auch Wut und Trauer, die Erfahrung von Ohnmacht, ja sogar Glaubenszweifel zum Ausdruck – also eigentlich alles, was uns als Menschen ausmacht.

Wir Dominikaner beten für die vielen Menschen in den Krisengebieten dieser Welt, für Frieden, für ein gutes Miteinander der Religionen.

Selbstverständlich spielt bei unserem Chorgebet daher auch die Welt um uns herum eine Rolle, denn wir sind ja Teil dieser Welt. Für uns ist Gebet nie ein Kreisen um uns selbst, sondern wir denken immer auch an die Menschen, die uns ihre Sorgen anvertraut haben, an die Kranken, die Einsamen, die Trauernden. Und wir beten für die vielen Menschen in den Krisengebieten dieser Welt, für Frieden, für ein gutes Miteinander der Religionen usw. Dieser wache Blick auf die Welt, auf die Menschen und ihre Anliegen war schon unserem Ordensgründer, dem hl. Dominikus, wichtig, denn es geht bei uns nicht um „Selbstheiligung“, sondern immer um das „Heil der Seelen“, also um das Heil der anderen. Das hat oberste Priorität vor allem anderen.

Wie würden Sie den folgenden Satz fortsetzen? “Gebet ist für mich…”

Pater Elias: Für mich ist das Gebet eine wichtige Kraftquelle, aus der ich lebe und arbeite. Und gleichzeitig weitet das Gebet immer wieder meinen Blick auf diese Welt und das Transzendente in ihr, auf meine Mitmenschen und auf Gott.

Ich danke für das Gespräch.

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