Ein Herz für die Vergessenen: Das Leben der Franziska Schervier

Franziska Schervier

Franziska Schervier erblickte 1819 in Aachen das Licht der Welt, als Tochter eines wohlhabenden Textilfabrikanten. Ihr Lebensweg hätte mühelos der einer privilegierten Bürgerin gleichen können: Bildung, Reichtum, gesellschaftliche Achtung – alles stand ihr offen. Doch bereits als junges Mädchen verspürte Franziska den tiefen Wunsch, sich jenen Armen zuzuwenden, die in der beginnenden Industrialisierung unter schlimmsten Bedingungen litten. Die Not dieser Menschen ließ sie fortan nicht mehr los.

Anfang zwanzig verlor Franziska innerhalb kurzer Zeit ihre Mutter und zwei ihrer Schwestern. Diese tragischen Ereignisse verstärkten ihre Zuwendung zu den Ausgestoßenen der Gesellschaft. Immer wieder besuchte sie notleidende Familien, Kranke, Häftlinge, selbst Prostituierte – Menschen, die von der „anständigen Gesellschaft“ gemieden wurden. Sie versorgte Wunden, verteilte Essen, hörte zu und betete mit den Kranken.

Ihr Einsatz fand jedoch nicht nur Anklang. Franziska wurde oft verspottet, und manche rieten ihr, sich doch lieber „wichtigeren Dingen“ zu widmen. Doch Franziska blieb unbeirrt. Für sie war klar: Wer Christus folgt, findet ihn nicht in Pomp und Glanz, sondern unter den Verletzten, den Hungernden, den Verstoßenen.

Im Jahr 1845 gründete sie mit vier gleichgesinnten Frauen die Genossenschaft der Armen-Schwestern vom heiligen Franziskus. Diese kleine Gruppe bezog ein bescheidenes Haus, kümmerte sich um Kranke, Ältere, Einsame und half dort, wo sonst niemand hinsah. Sie sahen sich als „kleine Schwestern der Ärmsten“ – inspiriert vom Geist des heiligen Franz von Assisi.

Die Gemeinschaft wuchs rasch an. Bald entstanden Niederlassungen in anderen Städten und sogar in den USA, wo die Schwestern unter deutschen Auswanderern wirkten. Trotz aller Erfolge blieb Franziska bescheiden. Sie sah sich nie als große Gründerin, sondern als Werkzeug Gottes. Ihr Glaube schenkte ihr die Kraft, immer wieder neu anzufangen, auch in Zeiten der Krankheit und Schwäche.

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Ihr Leben lang war Franziska davon überzeugt, dass echte Nächstenliebe keine Bedingungen kennt. Sie ging zu Frauen, die als „gefallen“ galten, zu Häftlingen, zu Menschen, die oft von Kirche und Gesellschaft aufgegeben worden waren. Sie wollte nicht urteilen, sondern helfen. „Den Armen helfen heißt, Christus helfen“, sagte sie einst.

Als Franziska Schervier 1876 starb, umfasste ihre Gemeinschaft über 2000 Schwestern. Bis heute wirken die Armen-Schwestern vom hl. Franziskus in vielen Ländern – still, bescheiden, oft im Verborgenen, aber getragen von derselben Liebe, die Franziska vor mehr als 150 Jahren antrieb.

Franziska wurde 1974 von Papst Paul VI. seliggesprochen. Ihr Leben ist ein starkes Beispiel dafür, dass gelebter Glaube sich nicht in großen Worten, sondern in kleinen, konkreten Akten der Liebe zeigt. Sie bleibt für viele ein strahlendes Vorbild, dass Veränderung beginnt, wenn wir unsere Mitmenschen nicht übersehen.

Foto: Wikipedia (gemeinfrei)

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