Demütig dafür danken, was ist

Sharon Brauner

Frau Sharon Brauner ist eine deutsche Schauspielerin und Musikerin. Als Schauspielerin stand sie schon im Alter von drei Jahren vor der Kamera und war bis heute mit Haupt- und Nebenrollen in Dutzenden von Kino- und Fernsehfilmen zu sehen. Ihre musikalische Karriere startete Sharon Brauner in verschiedenen kleinen Jazz-Bars und Restaurants in Berlin und New York. Heute tritt sie regelmäßig als Sängerin unter anderem in der Berliner “Bar jeder Vernunft” auf. In Soloprogrammen oder mit Kol­le­gIn­nen singt sie Evergreens, Chansons, Jazz-Standards und immer wieder jiddische Lieder. Ich freue mich, dass Frau Brauner sich die Zeit für die Beantwortung der folgenden Fragen genommen hat.

Meine Frau und ich durften Sie vor einigen Monaten in einem großartigen Konzert mit jiddischen Liedern in der Johanneskirche in Düsseldorf erleben. Ganz besonders hat es uns berührt, diese Lieder vorgetragen in einem Kirchenraum direkt unter dem Kreuz hören zu dürfen. Ist es für Sie als Jüdin auch eine besondere Erfahrung, in einer Kirche zu singen?

Sharon Brauner: In Kirchen zu singen ist eine sehr schöne Erfahrung. Besonders in den alten Kirchen ist die Atmosphäre oft magisch gewesen. Diese Räume, voller Geschichte und Kunst, die so hohe Decken haben, dass man meinen könnte, es gäbe keinen Himmel über einem, haben schon eine gewaltige Wirkung auf mich gehabt. Ich bin da regelrecht eingetaucht.

Johanneskirche Düsseldorf
Johanneskirche Düsseldorf

Sie sind Schauspielerin und haben bereits als Dreijährige in einem Film mitgewirkt, Ihre besondere Liebe galt aber immer auch der Musik. Sie singen häufig jiddische Lieder, obwohl Sie selbst kein Jiddisch sprechen. Was bedeuten diese jiddischen Lieder für Sie?

Sharon Brauner: Jiddisch ist die Muttersprache meines Vaters gewesen, seine „Mameloschn“. An seinen 75. Geburtstag hab ich ihm sein Lieblingslied auf Jiddisch vorgesungen. Mein Papa hatte Tränen in den Augen und hat dabei gelächelt. Da habe ich verstanden, was es ihm und seinen ‚Mentshelechs‘ (Anm.: “Kleine Leute”) bedeutet;  das die Musik eine Art Brücke zu ihren Eltern und ihrer Kindheit ist. Also hab ich für ihn und seine Leute diese vielen Lieder gelernt und für sie gesungen. Die Liebe, die ich dafür wiederbekommen habe, hat mir alles bedeutet.

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Sie kommen aus einer jüdischen Familie und auch wenn Ihre Eltern nicht im KZ waren, sind Sie durch Ihre Familie und Freunde der Familie in einem Umfeld von Holocaustüberlebenden groß geworden. Was hat dieser Hintergrund für Sie als Kind und junger Mensch bedeutet und was bedeutet er heute noch?

Sharon Brauner:  Ich habe früh angefangen, nach der Geschichte meiner Familie zu fragen. Mit Holocaust-Geschichten bin ich also groß geworden, es wurde bei uns nie geschwiegen. Und bei uns zu Hause waren oft auch Freunde und Verwandte zu Gast, die keine eigene Familie mehr hatten, weil sie ermordet wurden. Mit diesen Menschen, die trotzdem an die Liebe und an die Menschlichkeit geglaubt haben, bin ich aufgewachsen und sie haben mich geprägt. Es waren Persönlichkeiten voller Humor und Wärme, trotz ihrer Schicksale. Für mich waren und bleiben die Survivors rund um unsere Familie alles Super-Helden und ich bin dankbar, so viele kennen gelernt zu haben.

Sharon Brauner und BegleitmusikerInnen
Sharon Brauner (Mitte) und BegleitmusikerInnen

Welche Rolle spielt das Judentum für Ihre Sozialisation und für Ihr Selbstverständnis als Schauspielerin und Musikerin in Deutschland?

Sharon Brauner: Ich hatte das Glück mit vielen Menschen unterschiedlichster Herkunft, Religion und Ausrichtung  heranzuwachsen. Das Leben war in West-Berlin der 70er und 80er Jahre, obwohl von einer Mauer umgeben, sehr frei und extrem bunt. Das war meine Sozialisation. Das Judentum habe ich nur mit meiner Familie und unseren Freunden verbunden. Das hat “Draußen” keine wirkliche Rolle gespielt, für mich. Was wohl daran liegt, dass ich nicht religiös bin.

Ihr Konzert in Düsseldorf haben Sie mit dem jüdischen Gebet Adon Olam (Herr der Welt) beendet, das inhaltlich in mancher Beziehung dem christlichen Vaterunser ähnelt. Wie würden Sie den folgenden Satz fortsetzen? “Gebet ist für mich…”

Sharon Brauner:  Gebet ist für mich eine Art Meditation, eine Einkehr, eine Möglichkeit sich mit sich selbst, seinen Hoffnungen und seinen Ängsten auseinander zusetzen, oder auch einfach nur ein Weg sich demütig dafür zu bedanken, was ist.

Ich danke für das Gespräch.

(Hinweis zu den verwendeten Fotos von Frau Sharon Brauner: Die Bildrechte liegen bei ihr.)

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