Bewahrung der Schöpfung – Auch die Kirche muss radikal umdenken

Dr. Christian Weingarten

Herr Dr. Christian Weingarten ist als Umweltbeauftragter und Leiter der Abteilung Schöpfungsverantwortung beim Erzbistum Köln tätig. Schon 2030, sagt er, könnte das Erzbistum Köln klimaneutral sein. Ich freue mich, dass Herr Dr. Weingarten sich die Zeit für dieses Interview genommen hat.

Herr Dr. Weingarten, Sie haben Materialwissenschaften und Maschinenbau studiert, waren anschließend unter anderem als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik und in der Prozess- und Verfahrensentwicklung eines Chemieunternehmens tätig, bevor Sie vor gut zwei Jahren zum Erzbistum wechselten. Was hat Sie seinerzeit zu diesem aus meiner Sicht grundlegenden Wechsel bewogen?

Dr. Christian Weingarten: Ich war längere Zeit ehrenamtlich kirchlich und umweltpolitisch aktiv. Unter anderem die Enzyklika Laudato Si von Papst Franziskus hat meinen Blickwinkel erweitert und mir gezeigt, dass Christsein und Umweltschutz keine zwei getrennten Themen sind. Ich habe mich gefragt, ob meine damalige Tätigkeit und ein Mitschwimmen im oft nicht sozial-ökologischen Wirtschaftssystem nicht das Gegensätzliche zu meinem christlichen Auftrag darstellt.

Christsein und Umweltschutz sind keine zwei getrennten Themen.

Dann habe ich die Chance bekommen mein berufliches Themenfeld komplett zu wechseln, um die Umweltarbeit im Erzbistum Köln zu stärken. Bis heute bin ich trotz der ganzen Krisen sehr froh, dass ich diesen Schritt zu einer für mich sinnstiftenden Aufgabe gewagt habe.

In einem Interview des Domradios äußerten Sie vor wenigen Monaten die Aussicht, dass das Erzbistum Köln schon im Jahr 2030 klimaneutral sein könnte. Da die Kirche bei ökologischen oder klimapolitischen Themen nicht gerade als Vorreiter gilt: Wie wollen Sie dieses ehrgeizige Ziel erreichen? Inwieweit unterstützt Sie Ihr Glaube bei der Umsetzung?

Dr. Christian Weingarten: Der Glaube unterstützt mich total bei dieser Aufgabe. Ich sehe die Schöpfung als ein Geschenk für uns Menschen aber auch für alle anderen Mitgeschöpfe (Tiere, Pflanzen) an. Dieser Glaube schenkt mir zum einen großen Respekt, aber auch eine große Freude an der Faszination der Natur. Zum anderen zeigt mir der Glaube die Verantwortung auf, die ich und die wir als Kirche für die Schöpfung haben.

Unser Vorteil ist, dass wir als Christen eine zusätzliche Motivation haben, nämlich unser Glaube an einen Schöpfer.

Wie gehen wir mit diesem Geschenk um? Ist es in Ordnung ein Gotteshaus verschwenderisch zu heizen, damit ich den Luxus habe in der Kirche meine Jacke auszuziehen, aber gleichzeitig aufgrund der CO2-Emissionen dem Erdenhaus schade? Können wir in unserem alltäglichen Handeln Lösungen finden, dass wir fröhlich leben können, ohne der Umwelt und dem Klima zu schaden?

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Müssen Gotteshäuser beheizt werden, damit wir die Jacke ausziehen können?
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Besonders als Kirche müssen wir uns die Frage nach der Verantwortung ganz neu stellen und wir benötigen ein radikales Umdenken. Eine ökologische Umkehr, wie es Papst Franziskus nennt. Unser Vorteil ist, dass wir als Christen eine zusätzliche Motivation haben, nämlich unser Glaube an einen Schöpfer. Ich hoffe, dass wir mit dieser Motivation eine Beschleunigung in den ökologischen Umbau der Kirche bekommen, den viele für nicht möglich halten.

In welcher Weise spielt das Thema “Bewahrung der Schöpfung” in Ihrem privaten Umfeld eine Rolle?

Dr. Christian Weingarten: Eine große und gleichzeitig selbstverständliche Rolle. Ich esse sehr wenig tierische Produkte (und freue mich riesig auf den Braten an Feiertagen –> positiver Nebeneffekt). Wir haben kein Auto. Wir achten in unserer Mietswohnung darauf, Energie zu sparen so gut es geht. Ich nutze kein Flugzeug. Ich achte bei Lebensmittel auf ökologische Herkunft oder rette Lebensmittel, die sonst weggeschmissen werden … Und trotzdem geht es uns sehr gut – Suffizienz wird ja leider oft sehr schlecht dargestellt, dabei müsste uns Christ:innen dies eher leicht fallen mit Bezug auf die Fastenzeit.

Landschaft
Finden wir Lösungen, die der Umwelt und dem Klima weniger schaden?
Foto: Achim Beiermann

Wenn Sie an Ihre Kinder denken, gibt es ökologische oder klimatische Entwicklungen, die Ihnen besonders große Sorgen bereiten? Welche sind das?

Dr. Christian Weingarten: Als Wissenschaftler lese ich die Studien zu den klimatischen Folgen in den nächsten 100 Jahren, die regelmäßig vom IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change, oder kurz: Weltklimarat) zusammengefasst werden. Danach benötige ich ehrlich gesagt ein paar Tage und einige Gebete, bis meine Hoffnung zurückkehrt.

Es ist erschreckend, was wir kommenden Generationen abverlangen und wie wenig wir in der Gesellschaft dafür machen, dass es besser kommt. Mich sorgen aber vor allem auch die Menschen in anderen Ländern, die jetzt schon die Folgen durch Dürren, Unwetter oder Überschwemmungen zu spüren bekommen und ihre Heimat verlassen müssen, da diese keine Lebensgrundlage mehr liefert.

Wie würden Sie den folgenden Satz fortsetzen? “Gebet ist für mich…”

Dr. Christian Weingarten: Gebet ist für mich ein Sprintmeeting mit Gott (kurzes Stoßgebet) oder ein Atemholen (beim Gebet in Stille oder im Taizé-Gesang).

Ich danke für das Gespräch.

(Hinweis zum oben verwendeten Foto von Herrn Dr. Christian Weingarten: Die Bildrechte liegen beim Erzbistum Köln/Hirschbeck.)

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