Allerheiligen auf dem Nordfriedhof

Nordfriedhof Kapelle

Vor einigen Tagen erreichte mich eine Mail der Katholischen Kirche Düsseldorf. Man fragte mich, ob ich Interesse hätte, bei der ökumenischen Aktion „Allerheiligen auf dem Düsseldorfer Nordfriedhof“ mitzuwirken. Ich sagte zu, ohne genau zu wissen, was mich dort erwarten würde.

Ich hatte mich für den Dienst in Friedhofskapelle gemeldet und angenommen, dass nur wenige Menschen diesen Ort der Stille aufsuchen würden. Da ich außerdem die letzte Schicht von 17.30 bis 19.30 Uhr übernommen hatte, steckte ich mir sicherheitshalber ein Buch ein – für den Fall, dass die Zeit stillstehen und mir das Nichtstun zu lang würde.

Doch es kam anders.

Schon bald stand ich an einem Tisch, auf dem sich unzählige kleine Teelichter befanden. Meine Aufgabe war es, den Menschen, die nach und nach in die Kapelle kamen, zu erklären, wie sie auf liebevoll gestaltete, kreisrunde Zettel einen Text schreiben konnten – etwa den Namen eines geliebten Menschen. Den Zettel legten sie in einen Aluminiumhalter, setzten darauf die Kerze und stellten sie später in einem Glasgefäß auf die Stufen des Altars. Sobald sich das Wachs verflüssigte, wurde das Geschriebene sichtbar – sozusagen ein Aufleuchten der Erinnerung.

Mit der Zeit bildete sich eine kleine Schlange am Tisch. Alle warteten geduldig, bis sie an der Reihe waren, ihre Botschaft zu formulieren. Mich berührte, wie viele junge Menschen unter ihnen waren. Sie schrieben mit ernster Miene, sorgfältig, als wollten sie nichts falsch machen, wenn sie der Toten gedachten.

Besonders gerührt war ich von einem kleinen Jungen, der, vielleicht fünf Jahre alt, an der Hand seiner Mutter wartete. Er konnte noch nicht schreiben, also bot ich ihm an, seine Worte aufzuschreiben. Er überlegte kurz, sah zu Boden und sagte dann leise: „Für meine Mama, die ich unendlich lieb habe.“ Gemeinsam bereiteten wir die Kerze vor. Dann trug er sie, ganz vorsichtig und voller Stolz, zum Altar, auf dessen Stufen bereits Dutzende Lichter flackerten.

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So kamen im Laufe des Abends viele Menschen: solche, die immer noch um die vielleicht schon lange verstorbenen Großeltern trauerten, andere, die weinten, weil der Verlust noch frisch war. Sie alle verband das Bedürfnis, das Unsichtbare für einen Moment sichtbar zu machen – durch Licht, durch Worte, durch Erinnerung.

Obwohl der Anlass ein trauriger war, war die Friedhofskapelle von einer besonderen Atmosphäre erfüllt. Zwischen all den Kerzen, Stimmen und stillen Gesten spürte ich etwas, das ich kaum in Worte fassen kann: eine große Nähe, eine innere Geborgenheit, eine Menschlichkeit, die von innen wärmte.

Ich mag es eigentlich nicht, wenn oft zu schnell von einer „großen Familie“ gesprochen wird, die wir in bestimmten Momenten sind. Doch an diesem Abend fühlte ich mich tatsächlich als Teil einer solchen Familie – verbunden durch Licht, Erinnerung und Liebe, die den Tod überdauert.

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